Guter Stil kommt an

Wenn heutzutage von den Benimmregeln die Rede ist, dann rümpft der eine oder andere vielleicht pikiert die Nase. "Wer braucht schon Benimmregeln, das ist doch altmodischer Quatsch", ist oft zu hören. Die Gegenwart hat diese Einstellung aber schon lange überholt. Das beweist die große Nachfrage nach Vorträgen und Büchern zum Thema.

 Wer einen korrekten Handkuss geben kann, kann einer Dame gegenüber punkten. Foto: dpa

Wer einen korrekten Handkuss geben kann, kann einer Dame gegenüber punkten. Foto: dpa

Trier. Dass Benimmregeln eine Zeit lang weniger gefragt waren, liegt gewiss zu einem Teil an den Folgen der 68er-Bewegung. Die Jugend lehnte sich in den späten 60er Jahren gegen althergebrachte Regeln und Konventionen auf.

Besonders an den Universitäten wurde mehr Gleichberechtigung gefordert, zudem wandte man sich gegen Standesdünkel, das "sich Abschotten" der gesellschaftlichen Elite. Wer kennt nicht das Musical "My Fair Lady", in dem Professor Higgins aus dem Blumenmädchen Eliza Doolittle eine Dame macht? Higgins dreht gewissermaßen den Spieß um. Er beweist, dass auch ein einfaches Mädchen in der feinen Gesellschaft mithalten kann, wenn sie die Regeln kennt.

In der Zeit nach der 68er-Bewegung war es eben chic, diese Regeln ganz bewusst zu ignorieren. Einer Frau in den Mantel zu helfen, wurde zum Beispiel von manchen Zeitgenossen als Zeichen der männlichen Herrschaft über die Frau ausgelegt. Vielleicht eine übertriebene Einstellung, aber andererseits vor dem Hintergrund verständlich, dass in einer modernen Demokratie alle Menschen gleich sein sollten. Benimmregeln haben aber auch ihr Gutes. Sie erleichtern das gesellschaftliche Leben. Nicht umsonst hat Adolph Freiherr Knigge (1752 bis 1796) das Buch "Über den Umgang mit Menschen" geschrieben. Der Freiherr war nämlich keineswegs ein Anhänger des Ständestaates, sondern ein Aufklärer und Freidenker. Ihm ging es eben nicht darum, Klassengrenzen zu zementieren. Im Gegenteil - er setzte sich für mehr Taktgefühl und Höflichkeit aller Menschen ein. Wer hat auch schon Spaß daran, in der Kantine mitanzusehen, wie sein Gegenüber mit offenem Mund kaut? Benimmregeln sorgen dafür, dass solche hässlichen Situationen erst gar nicht entstehen.

Oft hat dabei der deutsche Philosoph Immanuel Kant seine Finger im Spiel, denn sein Kategorischer Imperativ "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." - oder einfacher ausgedrückt: "Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu" liegt vielen Benimmregeln zugrunde. Inzwischen sind viele Menschen wieder daran interessiert, Benimmregeln zu lernen oder aufzufrischen. Das beweist eine Flut von Anstands-, Höflichkeits- oder Benimmbüchern, die inzwischen wieder erhältlich sind. Ebenfalls werden immer mehr Seminare zum Thema angeboten, für Unternehmen, aber auch für Privatpersonen.

Buchtipp: Salka Schwarz zählt zu den führenden Stilberaterinnen der Republik. In ihrem Kompendium "Renaissance der Höflichkeit - Fragen zur Etikette des 21. Jahrhunderts" (Dom-Publishers) gibt sie einen umfangreichen Überblick auf über 350 Seiten. Dabei deckt sie alle wichtigen Lebensbereiche ab. Ob es um die passende Kleidung für den jeweiligen Anlass geht oder darum, wie man eine für alle Beteiligten angenehme Tischordnung organisiert. Schwarz erläutert diplomatische Protokolle ebenso anschaulich wie die richtige Tischordnung für die große Familienfeier.

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