Hoffen auf den Klebe-Effekt

Mit einem ehrgeizigen Modellprojekt möchten die Verantwortlichen im Land Hauptschülern den Einstieg ins Berufsleben erleichtern. Alle Absolventen im vergangenen Schuljahr sollen einen Tag in der Woche in einem Betrieb verbringen: "Praxistag" ist das Zauberwort, durch das mehr Hauptschüler eine Ausbildungsstelle finden sollen.

 Alle Schüler der Geschwister-Scholl-Hauptschule benötigen bis zum Herbst eine Praktikumsstelle. Das Modellprojekt soll ihnen helfen, später eine Lehrstelle zu finden. TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Alle Schüler der Geschwister-Scholl-Hauptschule benötigen bis zum Herbst eine Praktikumsstelle. Das Modellprojekt soll ihnen helfen, später eine Lehrstelle zu finden. TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Trier. Das Bildungsministerium hat sich Trier und Koblenz als Modellregionen herausgesucht, um den "Praxistag" ein Jahr lang zu testen. Die Idee ist nicht neu. In anderen Bundesländern und in einigen Arbeitsweltklassen hat die Methode erstaunliche Erfolge gebracht: Die Schüler sind in vielen Fällen hoch motiviert, lernen während der Schulzeit die Arbeitswelt kennen und können auch Unternehmen von ihren Fähigkeiten überzeugen. Das Ergebnis: Auch Jugendliche mit schlechteren Noten können auf sich aufmerksam machen und erhalten gegebenenfalls eine Lehrstelle. Experten sprechen vom so genannten "Klebe-Effekt". Und gerade für Hauptschüler ist diese Form sehr wichtig. "Im vergangenen Jahr hatten nicht einmal 20 Prozent der Hauptschulabgänger eine Lehrstelle", erklärt Hans-Rüdiger Barbian, Schulleiter der Geschwister-Scholl-Hauptschule in Trier. Für die acht Hauptschulen in Trier wird das Modellprojekt zu einer echten Herausforderung: "Bis zum 22. Oktober müssen alle 400 Hauptschüler einen Praktikumsplatz haben", sagt der Pädagoge. Immerhin vier Jugendliche aus den beiden Abschlussklassen der Hauptschule in Trier-Nord mit rund 40 Schülern haben bereits einen der begehrten Plätze. Der 14-jährige Maximilian hat sich schnell aufgemacht und eine Fleischerei gefunden, bei der er sein Praktikum machen kann. Der Junge kennt den Betrieb schon von einem zweiwöchigen Praktikum, und der Chef hat ihm schnell Unterstützung zugesagt. Wie sein Klassenkamerad ist auch der 14-jährige Patrick selbst aktiv geworden. "Ich habe in der Schreinerei vorgesprochen, in der ich schon ein Praktikum gemacht habe", sagt der Schüler. Die 15-jährige Jasmin hingegen betritt "Neuland". Sie ist in ein Modegeschäft in der Trierer Innenstadt gegangen, hat nach dem Chef gefragt, und sich so ihren Praktikumsplatz erobert. Doch viele der rund 40 Schüler der beiden Abschlussklassen stehen noch ohne Praktikumsplatz da. Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Handwerkskammer (HWK) sind bei dem Projekt mit im Boot und Günter Behr von der HWK wirbt für die Maßnahme. "Die regelmäßige betriebliche Praxis ist für die Jugendlichen motivierend" und sei für jeden Betrieb eine gute Chance, motivierten Nachwuchs zu finden. {routv} Ansprechpartner: Alexandra Lossjew (IHK), Telefon 0651/9777-360; Petra Kollmann (HWK), Telefon 0651/207232. Meinung Gute Idee, große Hürden Die Idee der "Praxistage" ist nicht neu und hat sich in der Vergangenheit bewährt. Dass dieses Modell nun an allen Hauptschulen in der Stadt Trier umgesetzt wird, ist allerdings eine echte Nagelprobe. Denn nun müssen innerhalb von wenigen Tagen 400 Schüler in Trier einen Praktikumsplatz finden. Infrage kommen dafür die etwa 1000 Ausbildungsbetriebe, die es in der Stadt gibt. Große Unterstützung von der Politik gibt es bisher noch nicht. Es wäre schade, wenn ein solches Modell daran scheitert, dass es kein Geld für die notwendige Begleitung gibt. Denn das Umfeld ist so gut wie lange nicht mehr. Die Wirtschaft sucht händeringend guten Nachwuchs. Scheitert das Projekt, sind wieder einmal die Hauptschüler die Verlierer. Das kann sich die Politik nicht leisten. h.waschbuesch@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort