Leben und sterben in Europa

Das Leben nach dem Tod kann kompliziert sein - zumindest für die Angehörigen. Und erst recht, wenn von Land zu Land anderes Recht gilt. Von Mitte 2015 an gilt nun eine neue EU-Erbrechtsverordnung. Und die kann jeden treffen - sofern er nicht vorsorgt.

Erbstreitigkeiten können lang und teuer sein. Erst recht, wenn der Tote im Ausland verstorben ist oder ausländisches Recht mit einbezogen ist. Und weil immer mehr Senioren ihren Lebensabend auf Mallorca verbringen und Familien Ferienhäuser in den Niederlanden oder Italien haben, treffen verschiedene Rechtsordnungen zwangsläufig aufeinander. Ein Beispiel: Stirbt ein Deutscher mit Ferienhaus in der Provence, gilt derzeit für das Haus französisches Recht. Das deutsche Vermögen und das bewegliche Inventar im französischen Ferienhaus wird nach deutschem Recht vererbt.
TV-Serie Erben & Vererben


Das soll sich mit der neuen EU-Erbrechtsverordnung vom 17. August 2015 an ändern. Von diesem Datum an gilt nämlich nicht mehr die Staatsangehörigkeit des Erblassers, sondern nur noch das Recht des Staates, in dem sich der Verstorbene zum Zeitpunkt des Todes am häufigsten aufgehalten hat.
Und dies ist vielen Verbrauchern bislang kaum bekannt. Zwar gilt die Europäische Erbrechtsverordnung bereits seit knapp zwei Jahren, im kommenden Jahr nun läuft die Übergangszeit aus. Die neue Rechtslage betrifft potenziell jeden - viele Luxemburger etwa, die in Deutschland ihren Hauptwohnsitz haben, auch Rentner, die ihren Altersruhesitz oder Pflegeplatz im Ausland haben, junge Leute, die aus beruflichen Gründen viel im Ausland unterwegs sind, dort studieren und arbeiten. "Ausländische Rechtsordnungen können sich erheblich von den deutschen erbrechtlichen Regelungen unterscheiden. Um Überraschungen zu vermeiden, ist es wichtig, sich rechtzeitig beraten zu lassen", sagt Steffen Breßler, Geschäftsführer der Notarkammer Koblenz. Denn beim Tod eines deutschen Pensionärs auf Gran Canaria gilt von nun an spanisches Erbrecht - es sei denn, im Testament ist ausdrücklich die Anwendung des deutschen Rechts angeordnet. Ist dies nicht der Fall, kann es für die Erben zu bösen Überraschungen kommen - sei es, dass eine Enterbung möglich ist oder dass andere Pflichtteilsregeln gelten. Und so sieht auch die Gesellschaft für Erbrechtskunde "erheblichen Handlungsbedarf" für Verbraucher.
Breßler rät, dass sich jeder - egal ob jung oder alt - frühzeitig Gedanken zur Regelung des eigenen Nachlasses macht und sich mit der Nachfolgeplanung auseinandersetzt. "Erste Überlegung muss dabei sein zu ermitteln, wo der gewöhnliche Aufenthaltsort liegt", sagt Breßler. Das könne bereits schwierig sein, zuverlässig zu ermitteln. "Wer sichergehen will, dass bei seinem Tod das Recht des Landes anwendbar ist, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, muss künftig eine entsprechende Rechtswahl treffen. Diese muss ausdrücklich in Form einer Verfügung erfolgen und sollte daher am besten zusammen mit der Errichtung eines Testamentes oder eines Erbvertrages vorgenommen werden", empfiehlt der Geschäftsführer der Notarkammer Koblenz.
Die Frage, ob eine Rechtswahl sinnvoll oder sogar notwendig ist, können etwa Notare beantworten. Eine notarielle Beratung empfiehlt sich auch, wenn ein Testament bereits errichtet wurde, um zu prüfen, ob dieses geändert oder ergänzt werden muss. Trotz des gestiegenen Beratungsbedarfs aufgrund der einschneidenden Änderungen, die die neue Verordnung mit sich bringt, sieht der Notarkammer-Geschäftsführer darin mehr Vorteile den Nachteile. "Mit der Verordnung gelten erstmals auf EU-Ebene einheitliche Regelungen darüber, welches Erbrecht auf einen internationalen Erbfall anzuwenden ist und wie Erben ihre Rechte nachzuweisen haben", sagt Breßler.
Erben und Erblasser hätten bisher vor oft schwer lösbaren Konflikten gestanden. So habe bislang in vielen grenzüberschreitenden Erbfällen Uneinigkeit darüber geherrscht, nach welchem nationalen Recht sich die Erbfolge überhaupt richte. Es konnte etwa vorkommen, dass derselbe Erbfall in einem Mitgliedstaat der EU anders als in einem anderen beurteilt wurde und Erbnachweise aus dem einen Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat nicht anerkannt wurden.
Mit der neuen EU-Erbrechtsverordnung gibt es für die Verbraucher nun eine zuverlässige und rechtssichere Nachlassplanung. Ferner wird mit der Verordnung ein europäisches Nachlasszeugnis eingeführt, mit dem Erben, aber auch Testamentsvollstrecker, ihre Rechtstellung nachweisen können. Bei grenzüberschreitenden Erbfällen entfällt damit künftig die mehrfache Beantragung von Erbscheinen in allen Ländern, in denen der Erblasser Vermögen hinterlassen hat.

Hilfreiche Informationen über das Erbrecht der Mitgliedstaaten können auf der Webseite des Rats der Notariate der Europäischen Union unter <%LINK auto="true" href="http://www.successions-europe.eu" class="more" text="www.successions-europe.eu"%> abgerufen werden.

Im nächsten Teil unserer Serie "Erben & Vererben" beschäftigen wir uns mit dem digitalen Nachlass und wie man das Erbe im Online-Zeitalter regelt.

Extra

Eine erste Auseinandersetzung mit dem Todesfall ist der Ratgeber der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz "Was tun, wenn jemand stirbt?" Darin erklären die Verbraucherexperten, wer für eine Beerdigung zuständig ist, welche Vorbereitungen getroffen werden müssen, steuerliche Folgen und wo es Hilfe bei bestimmten Fragen gibt, ISBN 978-386336-030-6, 9,90 Euro. red

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