Mieter können wohnen bleiben

Ein 87-jähriger, schwerkranker Mieter und seine Ehefrau müssen nach 20-jähriger Mietzeit ihre Wohnung nicht wegen Eigenbedarfs des Vermietersohnes räumen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH VIII ZR 270/15) jetzt entschieden.

 Anita Merten-Traut. Foto: privat

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Er hob das Räumungsurteil der Vorinstanz auf. Hier war die Sozialklausel des § 574 BGB anzuwenden. Danach kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Der Bundesgerichtshof stellt jetzt klar, dass sich die Konsequenzen, die für den Mieter mit einem Umzug verbunden wären, deutlich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten abheben müssen, um als tauglicher Härtegrund in Betracht zu kommen. Bei vorgetragenen Härtegründen wie hier - hohes Alter, schwere Erkrankung - müsse sich das Gericht detailliert mit der existenziellen Bedeutung der Beibehaltung der bisherigen Wohnung auseinandersetzen.
Gerade bei drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr sind die Gerichte verfassungsrechtlich gehalten, ihre Entscheidung auf eine tragfähige Grundlage zu stellen. Bei Fehlen eigener Sachkunde müssten sich die Gerichte mittels Sachverständigenhilfe ein genaues Bild davon verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen für den Mieter mit einem Umzug verbunden sind. Mit diesem Urteil wird klargestellt, dass das Mieterrecht auf körperliche Unversehrtheit dem Vermieterinteresse auf freie Lebensgestaltung vorgehen kann.
Ass. jur. Anita Merten-Traut ist Geschäftsführerin des Mietervereins Trier. <%LINK auto="true" href="http://www.mieterverein-trier.de" text="www.mieterverein-trier.de" class="more"%>

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