Sorge um Tectro

SAARBURG. Das Kunststoffunternehmen Tectro in Saarburg steckt offenbar in finanziellen Schwierigkeiten. Erst vor wenigen Tagen haben die rund 200 Mitarbeiter ihr August-Gehalt bekommen, die Zahlungen für September sind weiter überfällig. Die Angst um die Arbeitsplätze geht bei Tectro um.

Das Saarburger Kunststoffunternehmen Tectro, das als Zulieferunternehmen Teile für die Auto- und Elektroindustrie herstellt, hat offenbar einen neuen Besitzer: Bereits am 23. August soll der 47-jährige Belgier Cor Jacobs das Unternehmen mit seinen rund 200 Mitarbeitern am Standort Saarburg von den sechs Anteilseignern übernommen haben. "Ich habe Tectro für sechs Euro erworben mit der Verpflichtung, zwei Millionen Euro in das Unternehmen zu investieren", sagte Jacobs dem TV. Bei seinem Vorhaben werde er von der "ACT Investment" mit Sitz in Antwerpen unterstützt. Normalerweise übernehme er kleinere Firmen in der Größenordnung von 250 000 bis 750 000 Euro. Er sei davon ausgegangen, dass man Tectro mit einer Anschubfinanzierung von zwei Millionen wieder ans Laufen bekäme, sagt Jacobs. Inzwischen aber habe er festgestellt, dass wohl eher vier bis 4,5 Millionen Euro nötig seien, um über die Runden zu kommen. Dann hätte das Unternehmen gute Chancen am Markt. Obwohl der Vertrag laut Jacobs bereits Ende August unterschrieben wurde, gibt es bisher allerdings keinen Eintrag im Handelsregister. Das sei ungewöhnlich, sagen Experten. Jacobs sagte dem TV, er habe dafür keine Erklärung, werde aber seinen Notar bitten, das schnellstmöglich zu klären. Im Saarburger Betrieb geht derweil die Angst um. Bis Mitte Oktober mussten die Mitarbeiter auf ihr August-Geld warten, und das floss auch nur, weil Mitarbeiter auf ihr so genanntes Zurückbehaltungsrecht pochten. "Stehen Lohn oder Gehalt länger als zwei Wochen aus, dürfen die Mitarbeiter zu Hause bleiben", erklärt Roland Wölfel von der Gewerkschaft IG Metall. Rund 95 Prozent der Belegschaft hätten vergangene Woche für eine solche Maßnahme gestimmt, wenn nicht mindestens ein Monatslohn oder -gehalt bis Montag gezahlt würde. Nach dieser Ankündigung sei das ausstehende Geld für August von der Hausbank des Unternehmens ausgezahlt worden. Der Betriebsratsvorsitzende Horst Molitor sagt, diese Maßnahme habe nicht nur bei der Bank Wirkung gezeigt. "Viele unserer Kunden haben Kontakt mit dem Betriebsrat aufgenommen und uns gebeten weiterzuarbeiten." Das Saarburger Unternehmen stellt für Spül- und Waschmaschinen sowie für die Auto-Industrie Kunststoffteile im Spritzgussverfahren her. Zu den Kunden zählen Unternehmen wie Knorr-Bremse, Bosch, DaimlerChrysler oder auch Whirlpool. Neben dem Hauptwerk in Saarburg gehören noch die Werke in Neunkirchen/Saar, Hemhofen bei Erlangen und im polnischen Bromberg zur Gruppe. Molitor sieht die Ausgangssituation für Tectro noch als positiv an: "Die Produkte, die wir hier in Saarburg herstellen, sind ,Spezialitäten'. Unsere Spritzgussformen sind Unikate. Bei manchen Produkten würde es Monate dauern, bis ein Mitbewerber sie herstellen könnte." Eine Chance, aber auch ein Risiko für Tectro: Denn stehen in Saarburg die Räder still, würde das auch den Produktionsfluss bei den Kunden ins Stocken bringen. Überlicherweise handeln Käufer bei ihren Zulieferfirmen deftige Konventionalstrafen aus, falls es zu Verzögerungen kommt. So ein Fall könnte in Saarburg dafür sorgen, dass nichts mehr geht. Die finanzielle Situation des Unternehmens habe für ihn oberste Priorität, sagt der neue Tectro-Chef Jacobs. In der Belegschaft bleiben indes Zweifel. Der neue Besitzer ist für viele Mitarbeiter eher ein Phantom, von dem man so gut wie nichts sieht. Dabei steht vielen das Wasser bis zum Hals. "Einige haben kein Geld mehr zum Tanken, damit sie zur Arbeit kommen können. Andere haben Probleme mit Darlehen oder Vermietern", sagt der Betriebsratsvorsitzende Horst Molitor.

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