Wenn Mama und Oma in die Kita gehen

Ratsuchende Eltern wollen wissen, wie man ohne schlechtes Gewissen Nein sagen kann, sie benötigen Hilfe, etwa wenn die Familie zerbricht. Familienbildung gehört heute zur Erziehung. In der Region Trier gibt es jedoch keine flächendeckenden Angebote - Kitas sollen die Lücke schließen.

 Großelternfrühstück in der Kita Emmaus in Gillenfeld. Auch so kann Familienbildung im ländlichen Raum aussehen. Foto: privat

Großelternfrühstück in der Kita Emmaus in Gillenfeld. Auch so kann Familienbildung im ländlichen Raum aussehen. Foto: privat

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Manche Eltern bringen mittwochs ihre Kinder in die katholische Kindertagesstätte Emmaus in Gillenfeld (Landkreis Vulkaneifel) und bleiben dann ebenfalls dort. Elterncafé steht im Terminkalender der Mamas und Papas, Omas und Opas. Aber dabei geht es um mehr als um Klatsch bei Kaffee und Brötchen.Zukunft Bildung in der Region


Mit dabei ist ein Profi für Erziehung: Sozialpädagogin Annette Weber. Erziehungsfragen, die Eltern auf den Nägeln brennen, können während des gemeinsamen Frühstücks besprochen werden. Damit auch berufstätige Eltern die Möglichkeit haben, mit Weber zu sprechen, findet auch einmal im Monat nachmittags ein Angebot statt.
Nach Einschätzung von Julia Schneider, Leiterin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung in der Region Trier, agiert die Gillenfelder Kita vorbildlich. Denn eine gute Familienbildung und -beratung gehörten heute zum Erziehen wie Windelwechseln und Spielplatzbesuche. Doch die Angebote sind von Region zu Region sehr unterschiedlich. Eine Studie der DKJS im Auftrag der Nikolaus-Koch-Stiftung kommt zu dem Ergebnis, dass es noch reichlich Verbesserungsbedarf gibt: "Der Anteil von Einrichtungen der Familienbildung pro 10 000 Kinder ist in der Region Trier, mit Ausnahme von Bitburg-Prüm und der Stadt Trier, bisher gering", sagt Julia Schneider, Mitautorin der Studie. In Kindergärten könnten wohnortnahe Angebote für Eltern entstehen.
So wie in der Kita in Gillenfeld: 30 Prozent der Eltern konnten in dem Dreivierteljahr erreicht werden, seitdem die Pädagogin Annette Weber zwei Mal in der Woche in der Eifel-Kita arbeitet. Wer Probleme hat, die nur für Webers Ohren bestimmt sind, kann sich mit der Fachkraft in das spezielle Elternzimmer zurückziehen.
16 Eltern hat Weber bislang intensiv während Krisensituationen wie Trennungen betreut. Derzeit kümmert sie sich intensiv um zwei Flüchtlingsfamilien, sie hilft ihnen Formulare auszufüllen oder begleitet sie zum Arzt. Das berichtet Samara Gliesche, Unterstützungskraft in der Kita Emmaus. Annette Weber sei die gute Seele des Hauses, sagt Gliesche. Was Weber erfährt, bleibt bei ihr.
"Ohne das Einverständnis der Eltern wird auch nichts an die Erzieherinnen weitergegeben", sagt Gliesche. Eine vertraute Ansprechpartnerin in der Kita zu haben, bringe viele Vorteile mit sich. Hürden, wie lange Anfahrtswege zu Lebensberatungsstellen, fielen beispielsweise weg. Bewusst bindet die Kita Emmaus, die als sogenannte Mittel. Punkt-Kita gilt (siehe Extra), Eltern verstärkt mit ein.
"Neben dem Elternfrühstück feiern wir gemeinsam Feste, Eltern haben die Möglichkeit, in der Kita Mittag zu essen oder freitags zum Singtreff zu kommen", zählt Gliesche weitere Aktionen auf, die das Band zwischen Elternhaus und Kita enger zurren sollen. Auch die Erzieherinnen profitierten. "Im Alltag sind mit den Eltern häufig nur Gespräche zwischen Tür und Angel möglich", sagt Gliesche.
Die 78-seitige Bericht der DKJS zur Bildungssituation in der Region dokumentiert die Ergebnisse aus zwölf Experteninterviews und drei Gruppendiskussionen. Die Teilnehmer der Studie kamen zu dem Schluss, dass Familienbildung in den Kitas an Bedeutung gewinnt. Gründe für die Verlagerung des Angebots von den Familienbildungsstätten in die Kitas sehen sie darin, dass die bisherigen Angebote nicht flächendeckend und im ländlichen Raum häufig schwer zu erreichen seien. Auch sei die Hemmschwelle hoch, die Angebote zu nutzen.
Ein besonderer Bedarf an Familienbildungsangeboten zeigt sich laut Studie im Landkreis Vulkaneifel. "Hier gibt es bislang keine Familienbildungsstätten", sagt Julia Schneider. Aber was bedeutet Familienbildung in den Kitas? Laut Studie geht es darum, leicht erreichbare Hilfsangebote für Familien zu bieten. Aber auch Fortbildungsmöglichkeiten für Eltern sollten dort geschaffen werden. Denn die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass immer mehr Familien Unterstützung zum Beispiel dabei brauchen, ihre Kinder gesund zu ernähren. Immer wieder komme es vor, dass Kindern sogar eine Tüte Chips oder Popcorn als Pausenbrot mitgegeben werde.
So empfiehlt die Studie eine Ernährungsberatung in Kitas, von einem gemeinsamen Frühstücksbuffet bis hin zu kostenfreien Essensangeboten für Familien in finanziell schwierigen Verhältnissen.
In der Kita Emmaus in Gillenfeld werden die Familien schon bei der Anmeldung auf einfache Weise über gesunde Ernährung aufgeklärt. "Das Mitbringen von Süßigkeiten etwa ist tabu", sagt Samara Gliesche.
Das Thema Sprachbildung steht im Mittelpunkt unserer Serie "Zukunft Bildung" am kommenden Montag. Alle Serienbeiträge finden Sie in unserem Internet-Dossier unter www.volksfreund.de/bildungExtra

Familienbildung ist ein zentraler Baustein, wenn es um die Rahmenbedingungen für ein gutes Aufwachsen von Kindern geht. Viele Eltern benötigen bei der Erziehung Unterstützung, zum Beispiel beim Thema gesunde Ernährung oder Sprache. In Kindertagesstätten kann wohnortnah und niedrigschwellig Familienbildung angeboten werden. r.n.Extra

Das Programm "Mittel.Punkt" hat drei Jahre lang fünf Kindertagesstätten in der Region Trier dabei unterstützt, sich zu einer sogenannten Familienkita weiterzuentwickeln. Eltern werden als Erziehungs- und Bildungspartner gesehen und in die Aktivitäten der Kita eingebunden. Gemeinsam wurden die Bildungsprojekte für Kinder weiterentwickelt und Unterstützungsangebote für Eltern, beispielsweise Beratung und Sprachkurse, geschaffen. kat

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