Wie ein Bänderriss im Gehirn

Bei einem Schlaganfall zählt jede Sekunde. Immer noch kommen zu wenige Patienten innerhalb des kritischen Zeitfensters von drei Stunden ins Krankenhaus. Mit der Veranstaltung "Schlaganfall - jede Sekunde zählt" am Samstag, 19. September, in der Bezirksärztekammer Trier klären Experten des Schlaganfallverbunds Trier-Saarburg auf.

Trier. Jürgen Böffel aus Alf erleidet 2007 einen Schlaganfall. Er hat doppeltes Glück, auch wenn er zeit seines Lebens mit einer teilweise halbseitigen Körperlähmung existieren muss. Der 46-jährige Beamte kommt von der Arbeit, als ihn plötzlich der "Schlag" trifft.

Sozialer Rückhalt ist ein wichtiger Genesungsfaktor



"Das war wie ein Bänderriss im Gehirn. Ich habe sofort gewusst, was los ist", schildert Böffel. Gesicht, Arm und Bein seiner rechten Körperhälfte werden taub. Durch einen Zufall findet ihn sein Untermieter, von Beruf Rettungssanitäter, der ihn ohne Verzögerung ins Krankenhaus bringen lässt. Zwei Stunden nach seinem Schlaganfall wird Jürgen Böffel in der "Stroke Unit" in Trier (Spezialeinrichtung für Schlaganfälle) behandelt.

Drei Wochen liegt er dort, danach geht es 13 Wochen in die Rehabilitation nach Bernkastel-Kues. Nach zwölf Wochen im Rollstuhl muss er das Gehen am Stock wieder lernen. Auch über zwei Jahre nach seinem Schlaganfall stehen zweimal die Woche Krankengymnastik und Ergotherapie auf dem Plan. "In den ersten Wochen macht man die größten Fortschritte. Später werden die Verbesserungsschritte kleiner", erklärt Professor Matthias Maschke.

Heute arbeitet Jürgen Böffel wieder "normal" in seinem Beruf als Beamter - sechs Stunden die Woche. Demnächst werden es wieder acht sein. Seine Selbstständigkeit und Unabhängigkeit hat er wiedererlangt, er fährt allein in seinem umgebauten Auto.

Trotz des vielen Glücks und der rechtzeitigen Behandlung wird Böffel seinen rechten Arm und sein rechtes Bein nie mehr vollständig bewegen können. "Mit meinem Arm werde ich keine Suppe mehr essen", erklärt Böffel, "und auch das Schreiben musste ich auf meine linke Hand umstellen." Sein privates Leben kann er genießen und sogar wieder ausgehen. Ein wichtiger Genesungsfaktor ist der soziale Rückhalt. "Familie hilft", sagt Maschke. Gedanken über einen etwaigen Schlaganfall hatte sich Böffel nie gemacht. Er spielte Fußball und fuhr regelmäßig Rad. Er wäre nie auf die Idee gekommen, beim Arzt eine Vorsorgeuntersuchung machen zu lassen. Obwohl der Alfer erblich vorbelastet ist, denn sein Vater verstarb 2001 an einem Schlaganfall.

Jürgen Böffel ist mit seinen 46 Jahren im Grunde noch zu jung für einen Schlaganfall, der Männer im Durchschnitt im Alter zwischen 60 und 70 Jahren ereilt, Frauen zwischen 70 und 80 Jahren. Allerdings gibt es auch Schlaganfall-Patienten, die deutlich jünger sind.

Die ersten 90 Minuten nach einem Schlaganfall sind die wichtigsten. Nach zehn Minuten ohne Sauerstoffzufuhr werden die ersten Nervenzellen im Gehirn geschädigt. Mit medikamentöser Behandlung kann innerhalb der ersten drei Stunden Schlimmeres verhindert werden. Aus diesem Grund zählt jede Sekunde. Bei einem Schlaganfall ist sofort Eile geboten und sofort der Notruf 112 zu wählen.

Der Notarzt leitet den Patienten umgehend in die "Stroke Unit" des Schlaganfallverbunds Trier-Saarburg weiter. In diesem Verbund sind alle medizinischen, ärztlichen und Notfallinstitutionen vernetzt.

Aber: "Es kommen in Trier nur 50 Prozent aller Schlaganfallpatienten in den ersten drei Stunden an. Da können wir etwas tun", betont Maschke.

Bei Schlaganfall versterben 30 Prozent der Betroffenen an der wie aus heiterem Himmel auftretenden Krankheit. Die Hälfte aller Betroffenen überlebt den Schlaganfall mit leichten, zurückbleibenden körperlichen Beeinträchtigungen oder irreparablen Schädigungen des Gehirns. 20 Prozent bleiben allerdings abhängig von ihrer Familie oder Pflege", betont Maschke. Das müsste so nicht sein.

Eine Patientenveranstaltung des Schlaganfall-Verbunds Trier-Saarburg mit dem Thema "Schlaganfall - jede Sekunde zählt" findet am Samstag, 19. September, von 10 bis 13 Uhr im großen Saal der Bezirksärztekammer Trier, Balduinstraße 10, statt. Während der Podiumsdiskussion stehen Experten der Krankenhäuser, Vertreter der Krankenkassen und des Gesundheitsamts für Fragen zur Verfügung.

Die Moderation der Veranstaltung übernimmt Dieter Lintz, Redakteur des Trierischen Volksfreunds.

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