"100 verlorene Tage"

BERLIN. (BB) Ende Januar ist die zweite rot-grüne Bundesregierung 100 Tage im Amt ­ "100 verlorene Tage für Deutschland", wie die CDU-Spitze am Freitag in Berlin bilanzierte.

Die Unions-Oberen taten dies mit einer Mischung aus ernsthafter Sorge und klammheimlicher Freude. Sorge, weil "die Talfahrt andauert"; Freude, weil der Tag der Abrechnung naht: Am 2. Februar wird in Hessen und Niedersachsen gewählt. Deshalb hatte die CDU-Vorsitzende Angela Merkel auch die Spitzenkandidaten Roland Koch (Hessen) und Christian Wulff (Niedersachsen) mit vor die Bundespressekonferenz gebracht, obwohl die beiden CDU-Präsiden offenbar Werbung in eigener Sache nicht mehr benötigen: Die Zeichen der Zeit stehen nach allen Umfragen eindeutig auf Sieg für die Christdemokraten. In beiden Ländern liegt die CDU weit vor Rot-Grün, so dass manche schon absolute Mehrheiten erwarten. Entsprechend selbstbewusst trugen Merkel, Koch und Wulff ihre Kritik an der Politik der Bundesregierung vor. Die Bilanz ("wachsende Neuverschuldung, Rekordpleiten, Steuerchaos, Wahlbetrug, Vertrauenskrise") las sich, als stünde das Land an der Schwelle zur Bananenrepublik, doch verhießen die CDU-Führer gleichzeitig Linderung der Leiden: Am 2. Februar werde der "Kurswechsel" eingeleitet, der die Weichen zu mehr Wachstum und Beschäftigung, sowie zu Verlässlichkeit, Motivation und Kreativität stelle. Der Auftritt machte klar, dass die CDU fest mit dem Wahlsieg in Hessen und Niedersachsen rechnet. Ebenfalls drastisch äußerte sich FDP-Chef Guido Westerwelle. Diese Bundesregierung sei "vermutlich die Schlechteste, die Deutschland seit Gründung der Bundesrepublik je hatte". Notwendig sei eine "marktwirtschaftliche Erneuerung", sagte Westerwelle in seiner 100-Tage-Bilanz. Klar, dass die SPD den Sachverhalt anders einschätzt: Generalsekretär Olaf Scholz gab zwar Startschwierigkeiten zu, doch "die Richtung unserer Politik stimmt". SPD-Fraktionschef Franz Müntefering drehte den Spieß einfach um: Das CDU/CSU-Wahlkonzept habe sich durch "Widersprüchlichkeit und Widersinnigkeit" ausgezeichnet, und die Politik der Unionsfraktion erschöpfe sich in giftigen Attacken auf die Regierung. Im übrigen habe auch Frau Merkel, die ja den Fraktionsvorsitz übernommen habe, eine 100-Tage-Bilanz: Sie habe Macht gewonnen ­ "und nichts daraus gemacht".

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