Abgekanzlert!

"Kanzler auf Erfolgskurs", Weiter so, Gerhard" oder "Schröders Meisterstück" - Welcher Politiker würde sich nicht über solche Schlagzeilen freuen? Nur: Bestellen kann sie sich in einer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft niemand: kein Bundeskanzler, keine Oppositionsführerin, kein Landes- und auch kein Kreisfürst - allenfalls im eigenen Parteiblatt. Unbestritten: Die Schlagzeilen über die rot-grüne Bundesregierung und ihren Kopf, den Kanzler, fielen - aus Sicht der Betroffenen - schon einmal besser aus als in den zurückliegenden Monaten. Dass der Schröder bis dahin größtenteils gewogene Medien-Wind sich gedreht hat, hat mit Reform- und Maut-Chaos zu tun, mit Führungsschwäche, parteiinternen Personalquerelen und miesen Wahlergebnissen. Nieten, die nicht "Bild", "Stern" oder andere zu verantworten haben, sondern die Bundesregierung. Obwohl noch nicht halb so lange im Amt wie sein gewichtiger Vorgänger wird Gerhard Schröder dem Oggersheimer immer ähnlicher. Auch Helmut Kohl strafte unliebsame Medien mit Nichtbeachtung, kritische Fragen empfindet er - wie erst jüngst bei der Vorstellung seiner Memoiren wieder zu beobachten - immer noch als Majestätsbeleidigung. Anders als Kohl wird Instinkt-Kanzler Schröder aber schon bald merken, dass er sich mit seiner Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie mehr schadet als nutzt. Dann wird sein Sprecher Bela Anda das Bauernopfer sein. Den holte Schröder einst nicht ohne Hintergedanken von der "Bild"-Zeitung ins Regierungspresseamt. Aber davon möchte der Ab-Kanzler wohl am liebsten auch nichts mehr wissen. r.seydewitz@volksfreund.de

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