Abschied vom Sozialstaat

Der Sozialstaat klassischer Prägung hat die längste Zeit existiert. Und ausgerechnet eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung trägt ihn zu Grabe. Die Gesetzentwürfe über härtere Maßnahmen gegen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger mögen im ersten Moment populär klingen. Schließlich gibt es zahlreiche Geschichten über so genannte Drückeberger und Sozialschmarotzer. Viele davon sind in der Tat ein Ärgernis. Von extremen Beispielen auf eine breite Masse zu schließen, wäre allerdings ein fataler Irrtum. Die durchschnittlichen Arbeitslosenzahlen gehen seit Jahren nach oben. Auch für den vergangenen Monat dürfte die Nürnberger Bundesanstalt wieder einen traurigen Rekord vermelden. Dabei wurden die Zumutbarkeitsreglungen für Arbeitslosengeldempfänger zur Annahme eines Jobs schon in diesem Jahr verschärft, was übrigens auch zu einem Anstieg der so genannten Sperrzeiten, alsoLeistungskürzungen, geführt hat. Wer demnächst in die Mühlen der Arbeitslosigkeit gerät, muss praktisch jede Tätigkeit annehmen. Und sei sie noch so gering bezahlt.Damit droht vielen Menschen ein beispielloser sozialer Abstieg. Dass darunter auch zahlreiche qualifizierte und hoch motivierte Leute sein können, hat die Krise in der High-Tech-Branche hinreichend bewiesen. Und wer erst einmal einen niedrigst bezahlten Job annimmt, wird kaum wieder in seinem angestammten Bereich unterkommen. Dafür sorgen schon die ständig steigenden Berufsanforderungen.Nein, die aktuellen Pläne der Bundesregierung dienen ausschließlich der Aktivierung des Rotstifts. Dass dadurch ernsthaft neue Jobs entstehen, können nur Zyniker glauben. Auch das oft zitierte Beispiel Großbritannien mit seinem flexiblen Arbeitsmarkt hilft an dieser Stelle nicht weiter. Denn im Gegensatz zu Deutschland ist die Zahl der freien Stellen dort merklich höher als die Zahl der Jobsuchenden. Eine Tatsache, die gern unterschlagen wird. nachrichten.red@volksfreund.de

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