Alles bleibt bei 21 Jahren

Den gestrigen Montag dürfte Wolfgang Schäuble als Schwarzen Tag notieren. Nachdem Medien, Opposition und auch Politiker der eigenen Koalition seinen Entwurf zur Reform des Waffenrechts massiv kritisiert hatten, zog der Innenminister das Werk sang- und klanglos zurück. Nun rätselt man in Berlin, ob den erfahrenen CDU-Politiker, der in Sachen Terrorabwehr derzeit heftig umstritten ist, der Instinkt verlassen hat.

Seit über einem Jahr basteln Schäubles Ministeriale an einem neuen Waffenrecht. Es war 2002 nach dem Schulmassaker von Erfurt in aller Eile verschärft worden, weil der damalige Täter, der 19-jährige Robert Steinhäuser, sich die Waffen für seinen 16-fachen Mord als Sportschütze besorgt hatte. Die Altersgrenze für Kauf und Besitz von Sportwaffen wurde daraufhin auf 21 Jahre angehoben, freilich nicht für Kleinkaliber und Schrotflinten. Die Verbände der Sportschützen hatten eine Korrektur der Altersgrenze zurück auf 18 Jahre von Schäuble jedoch gar nicht gefordert, auch nicht im direkten Gespräch, das vor einigen Monaten stattfand. "Jedenfalls nicht als erste Priorität", wie Friedrich Gepperth, Vorsitzender des Bundes Deutscher Sportschützen, dieser Zeitung sagte. "Das kam vom Ministerum selbst".

Von wem im Ministerum, ist nun die Frage. Denn die vorgeschlagene neue Altersgrenze hatte den öffentlichen Empörungssturm ausgelöst, den SPD-Chef Kurt Beck, Thüringens CDU-Fraktionschefin Christine Lieberknecht und die Direktorin des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums, Christiane Alt, anführten. Es gebe, so der übereinstimmende Tenor, nicht den geringsten Grund, von der Altersregelung abzuweichen. Das Ministerium hielt bis Montag, 10.30 Uhr, noch dagegen, die höhere Altersgrenze habe "keinen Sicherheitsgewinn" gebracht, eine Senkung sei im Übrigen "im Vorgriff" auf eine europaeinheitliche Regelung notwendig. Außerdem werde eine psychologische Prüfung aller Sportschützen bis 25 Jahre neu eingeführt. Gestern früh nun ließ Schäuble das ganze Projekt nach einer internen Besprechung stoppen. Man wolle jedes zusätzliche Sicherheitsrisiko vermeiden, hieß es nun plötzlich, und Europa war auch kein Argument mehr. Den Gesetzentwurf bezeichnete das Ministerium jetzt als eine Art Ideenskizze aus dem Fachreferat. Richtig sauer sind jetzt die Sportschützen. Die Medien hätten massiv Desinformation betrieben, meinte Gepperth. Er könne sogar verstehen, "dass Schäuble da einknickt".

Über das Regierungsviertel aber legte sich nach der Aufregung wieder Ruhe. Angela Merkels Sprecher Ulrich Wilhelm lobte: "Der Innenminister hat die Entscheidung zu Recht so getroffen". Was bei einem Rückzieher allerdings so etwas wie ein nachträglicher Tadel ist.

 Werner Kolhoff.

Werner Kolhoff.

Foto: Iris Maurer

Bei allem was Wolfgang Schäuble bisher vorschlug - stets konnte man eine Strategie unterstellen. Er wollte das Thema Sicherheit für die Union besetzen und sich selbst als unnachgiebiger Hardliner profilieren. Doch seine unabgestimmten Vorstöße, ja Provokationen, ließen zuletzt immer mehr einen Verdacht aufkommen, der nun Gewissheit wird: Hier arbeitet einer auf eigene Rechnung, ohne Rückhalt und Rücksicht. Anders ist der Vorschlag nicht zu erklären, das Alter für den Erwerb und Besitz großkalibriger Waffen, also für die sogenannten Pump-Guns, wieder auf 18 Jahre zu senken. Hat Schäuble um die negative Symbolkraft dieser Idee nicht gewusst? Dann wäre er politisch naiv. War ihm die Wirkung egal, wollte er, der im Nebenamt Sportminister ist, nur etwas für die vielen Sportschützen tun? Dann wäre er unprofessionell. Wolfgang Schäuble wird immer mehr zur losgerissenen, wild um sich schießenden Kanone an Deck des Koalitionsschiffes. Auch bei der Union heißt es häufig: Alle Mann in Deckung. nachrichten.red@volksfreunde.de

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