Als nächstes das Embargo

Das US-Außenministerium warnt vor Reisen nach München, und US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld stellt die Bundesregierung auf eine Stufe mit den Regimes in Kuba und Libyen. Als nächstes folgen wahrscheinlich ein Wirtschafts-Embargo, der Einmarsch von US-Truppen im Berliner Regierungsviertel, der Sturz des rot-grünen "Terror-Regimes" und die Einsetzung einer US-freundlichen Bundesregierung.

- Unwillkürlich neigt man dazu, die Äußerungen von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld derart ins Lächerliche zu ziehen. Denn in der Sache ist das Gebell unsinnig und regelrecht unverschämt: Die Bundesregierung ist demokratisch gewählt und vertritt eine Linie, hinter der die weit überwiegende Mehrheit ihrer Wähler und darüber hinaus aller Deutschen steht. Doch leider ist Rumsfeld weder ein zum Sarkasmus neigender Kabarettist noch ein seniler Rechtsaußenpolitiker, dem keiner zuhören würde. Rumsfeld ist einer der mächtigsten Männer der Welt, einer derjenigen, die maßgeblich über Krieg und Frieden in den nächsten Wochen und damit zugleich über die Richtung der amerikanischen Außenpolitik in Zukunft mitentscheiden. Und deshalb müssen weniger Rumsfelds Sprüche Sorgen machen als vielmehr der Hintergrund, vor dem sie geäußert werden. Denn sie sind Teil eines diplomatischen Exempels, das die US-Regierung derzeit offenbar mit der Bundesrepublik statuieren will. Wer in Europa in Sachen Bedrohung und weiteres Vorgehen gegen den Irak nicht auf US-Linie ist, wird isoliert. Und die widerspenstige Bundesregierung wird als abschreckendes Beispiel mit den plumpen Rumsfeld-Sprüchen gar regelrecht gedemütigt. Ausgelöst wurden die nun schwelenden diplomatischen Schwierigkeiten zwar durch Bundeskanzler Gerhard Schröders bedingungsloses Nein zum Krieg. Für die Ursache ist jedoch letztlich die US-Regierung verantwortlich, die unter dem Eindruck der Terror-Attacken von New York und Washington eine fatale Schwarz-Weiß-Malerei begonnen hat: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns, hatte US-Präsident George W. Bush der damals geschmiedeten "Anti-Terror-Allianz" ins Stammbuch geschrieben und damit zugleich sein Verständnis des Wortes "Verbündete" demonstriert: Amerika gibt die Richtung vor. Diskussionen darüber, womöglich gar Meinungsverschiedenheiten sind nicht erwünscht. Nicht Rumsfelds verbale Ausfälle und die Nadelstiche der US-Regierung müssen uns also Sorgen machen. Auch nicht die Gefährdung der deutsch-amerikanischen Freundschaft, weil die ohnehin Sache der Bürger und nicht Sache der Politiker ist. Sorgen machen muss das Selbstverständnis der einzigen verbliebenen Weltmacht USA: Sie benimmt sich nicht wie ein großer, verständnisvoller Bruder, sondern wie ein jähzorniger, egozentrischer, böser Onkel. m.schmitz@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort