Am kritischen Punkt

2000 im Irak getötete amerikanische Militärangehörige - wenn heute oder in den kommenden Tagen diese statistische Wegmarke erreicht wird, dürfte dies erneut ein Schlaglicht auf den US-Präsidenten werfen, dessen fünftes Jahr im Amt unter einem denkbar schlechten Stern steht.

Gebeutelt von einer nicht enden wollenden Serie innenpolitischer Skandale und den Negativ-Schlagzeilen um die Hurrikan-Katastrophenhilfe, sieht sich George W. Bush auch mit dem wichtigsten Projekt seiner Außenpolitik an einem kritischen Punkt. Denn obwohl die Iraker in der vergangenen Woche den bisherigen Auszählungen zufolge vermutlich dem Verfassungsentwurf zustimmten, reißt die Serie blutiger Gewalttaten nicht ab. Hinzu kommt, dass sich die Hoffnung des Weißen Hauses, der Regimewechsel im Irak würde ein Katalysator für demokratische Veränderungen im gesamten Nahen Osten auf breiter Front sein, bisher nicht verwirklicht hat. Die Spannungen mit dem Iran und Syrien - geschürt auch durch die jüngsten Erkenntnisse über die Verwicklung des syrischen Regimes in die Ermordung des früheren libanesischen Premiers Hariri - haben eher zugenommen. Und bisher scheint das Weiße Haus über keinerlei Rezept zu verfügen, die gut dokumentierte Unterstützung irakischer Extremisten und El Kaida-Terroristen durch Teheran und Damaskus zu unterbinden und den Nachschub an mittlerweile hoch technisierten Explosivstoffen zu unterbinden. Vor allem in Syrien hat man längst zur Kenntnis genommen, dass George W. Bush derzeit wie ein Hund ist, der zwar bellt, aber nicht zu beißen gedenkt. Klar erkennbar bemüht, sein Image als Kriegstreiber in weiten Teilen der Welt zu reparieren, scheut er nun vor Aktionen zurück, die ihm seine Militärberater seit längerem nahe legen - wie beispielsweise eine Eliminierung von Nachschub-Positionen radikalislamischer Guerillas auf syrischem Staatsgebiet nahe der Grenze zum Irak. Dabei wird eine dauerhafte Stabilisierung des Zweistromlandes nicht nur von der Frage abhängen, welche Akzeptanz beispielsweise die Verfassung in den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen finden wird. Es gibt klare Indizien dafür, dass Syrien keinerlei Interesse an einer Beruhigung der Lage und der Schaffung einer zukunftsweisenden Regierungsform im Nachbarland hat. Die ist nur logisch, würde ein Erfolg des "Leuchtturm-Projektes" Irak doch nachhaltig demonstrieren, dass es im arabischen Raum funktionierende Alternativen zum islamischen Fundamentalismus gibt. Für den nach nuklearer Bewaffnung strebenden Iran gilt ähnliches. Auch die dortige Mullah-kratie fürchtet nichts so sehr wie positive Folgen aus dem Regimewechsel in Bagdad. Aus diesem Grund sind auch Vorschläge, die Zukunft des Irak mit Konferenzen auf UN-Ebene zu begleiten, an denen alle Anrainer-Staaten beteiligt sind, wenig erfolgversprechend. Denn wie geht man mit Diktaturen um, die an einem Tag Hilfestellungen versprechen und am nächsten kampfwilligen Dschihad-Aktivisten erlauben, sich für den "Märtyrer"-Einsatz gegen die vermeintlich "Ungläubigen" im Irak in Stellung zu bringen? nachrichten.red@volksfreund.de

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