An den Betroffenen vorbei

Opfer einer Straftat sind im Regelfall zweimal die Verlierer: Sie erleiden meist körperlich und psychisch Schaden, aber sie werden oft auch schlicht als Betroffene "vergessen". Die jüngste Debatte um die Begnadigung von RAF-Terroristen hat einmal mehr gezeigt, dass viel über Täter und ihre Entwicklung, jedoch wenig über Opfer von Gewalt und ihr persönliches Schicksal geredet und nachgedacht wird.

Die Aufarbeitung von Straftaten geht an den direkt davon Betroffenen vorbei. Sie sind oft nur noch als Zeuge im Prozess von Interesse. Kein Wunder also, dass sich viele Opfer allein gelassen fühlen und allenfalls in die Rolle einer Randfigur gedrängt sehen. Die jüngst geäußerte Befürchtung einer Polizisten-Witwe, deren Mann Opfer der RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt wurde, symptomatisch: Alle öffentliche Aufmerksamkeit gehört den Tätern, möglicherweise bis hin zu Fernsehauftritten. Wer redet noch über die, deren Leben zerstört wurde? Dabei haben die Leidtragenden von Gewalttaten doch einen ersten Anspruch auf Beistand und Betreuung. Forderungen, dass nicht nur Opfer besonders schwerer Delikte wie Sexualverbrechen, sondern auch von Gewalttaten wie schwerer Körperverletzung oder Geiselnahme Anspruch auf einen staatlich bezahlten Anwalt haben, sind absolut berechtigt. Auch der Schadenswiedergutmachung ist mehr Gewicht einzuräumen. Nicht zuletzt muss bei Staatsanwaltschaft und Justiz noch mehr Sensibilität für den Opferschutz wachsen, damit eben nicht die Betroffenen den Eindruck gewinnen, sie sind nur Randfigur. j.winkler@volksfreund.de

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