Armselig

Das frisch gekürte "schönste deutsche Wort" zeigt das Seelenleben der Nation recht plakativ und stimmt reichlich traurig. Ausgerechnet "Habseligkeiten" hat sich da eine Jury ausgesucht, die es eigentlich besser wissen müsste.

"Habseligkeiten" packt man dann zusammen, wenn das Schiff schon am Untergehen ist. Und damit fangen meistens diejenigen zuerst an, die ohnehin ständig jammern und die Hoffnung aufgegeben haben. Kurzum: Leute, die sich aus dem Staub machen wollen. Leute, die nicht mehr mit anpacken wollen. Wenn es beim "schönsten deutschen Wort" darum geht, zu zeigen, wo die Probleme sind, dann passt die Wahl durchaus. Das Jammern ist ja schwer in Mode, ob über längere Arbeitszeiten, weniger Urlaub oder zehn Euro für den Arztbesuch. Da hilft auch die sehr akademische Begründung nicht mehr weiter, um den Begriff ins rechte Licht zu rücken. So soll es bei "Habseligkeiten" um den "Gegensatz menschlichen Strebens nach Besitz mit dem unerreichbaren Ziel der Seligkeit" gehen. Ist doch albern! Mal ehrlich - wer denkt denn gemeinhin so weit nach rechts und links und um so viele Ecken? Das "schönste deutsche Wort" sollte doch plakativ sein, auf den ersten Blick einleuchten und gute Laune machen. Ein schwacher Trost: Im Ausland wird das Wort "Liebe" als schönstes deutsches Wort genannt - wenigstens ein Hoffnungsschimmer! Aber das beeindruckte die Jury nicht. Wie wär's denn mit "armselig" für nächstes Jahr? hp.linz@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort