Auf dem Prüfstand

Als US-Präsident George W. Bush im Dezember 2003 erstmals von der Entscheidung von Israels Premierminister Ariel Scharon erfuhr, Siedler und Soldaten aus dem Gaza-Streifen abzuziehen, war die Reaktion zunächst kühl und zurückhaltend.

Als US-Präsident George W. Bush im Dezember 2003 erstmals von der Entscheidung von Israels Premierminister Ariel Scharon erfuhr, Siedler und Soldaten aus dem Gaza-Streifen abzuziehen, war die Reaktion zunächst kühl und zurückhaltend. Die Befürchtungen des Weißen Hauses damals: Mit einem solchen Rückzug ohne entsprechende qualitative Gegenleistungen werde den palästinensischen Extremisten signalisiert, dass Terror zum Erfolg führe. Erst nach monatelangen diplomatischen Bemühungen gelang es dann den Beratern Scharons, Bush zur Akzeptanz der Aufgabe Gazas zu bewegen. Denn in Washington erinnerte man sich zunächst noch zu gut daran, was Scharon noch im Frühjahr 2003 - vor seinem spektakulären Schwenk - mehrfach konstatiert hatte: Dass ein einseitiger Rückzug aus Gaza "kein Rezept für Frieden, sondern ein Rezept für Krieg" sei.In den nächsten Wochen und Monaten steht deshalb nicht nur Scharons Entscheidung, sondern auch eine erst unter israelischem Druck gewandelte amerikanische Nahost-Politik auf dem Prüfstand. Das Grundprinzip der Bush-Doktrin im Kampf gegen den Terror gilt dabei auch für Gaza: Demnach ist bekanntlich die Verbreitung von Demokratie das beste Mittel, Extremisten auf lange Sicht auszuhebeln. Doch nun stellt sich die Kernfrage: Wird Bush mit dieser Ansicht Recht behalten?

Richtig lag das Weiße Haus zumindest mit der Ansicht, unter Jassir Arafat werde es keine realistische Chance auf einen Durchbruch zum Frieden geben. Doch nun, nach dem Tod des Vaters des internationalen Terrorismus, setzt man in Washington ganz auf bessere Zeiten und den palästinensischen Hoffnungsträger Mahmud Abbas. Vor wenigen Tagen kehrte erst eine hochrangige Delegation des US-Außenministeriums aus Gaza zurück, nachdem Regierungsmitglieder dort unter anderem den Wunsch geäußert hatten, die nun dort zu erwartende palästinensische Verwaltung dürfe "keine Art Wild West-Zivilisation werden."

Zur Kenntnis genommen hat man natürlich auch im Weißen Haus die widersprüchlichen Äußerungen des Arafat-Nachfolgers: An einem Tag redet er vom Frieden, am nächsten lobt er die Militanten und brandmarkt Israel als "zionistischen Feind". Und: Palästinensische Führer, darunter leider auch Abbas in einer Jubel-Rede an das eigene Volk, und natürlich auch die radikale Hamas haben bereits unverhohlen die Absicht verkündet, wie im Gaza-Streifen nun auch im Westjordanland und Jerusalem durch eine Eskalation der Gewalt Scharon zum Rückzug zu bewegen. Dies wirft neue dunkle Schatten über eine Region, deren Potenzial für Zündstoff niemals auszugehen scheint.

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