Aufbau West

Allen Unkenrufen zum Trotz haben PDS und WASG die letzte Runde im geplanten Fusionsprozess beider Parteien eingeläutet. Am vergangenen Wochenende schuf die von frustrierten West-Genossen und -Gewerkschaftern dominierte "Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit" mit überraschender Geschmeidigkeit die technischen Voraussetzungen für eine Vereinigung mit den ostdeutschen Linkssozialisten.

Die PDS wird an diesem Sonntag nachziehen. Bleibt das politische Grundproblem: Sieben Monate vor dem geplanten Vereinigungsparteitag in Berlin liegt die strategische Grundausrichtung immer noch im Nebel. Soll die neue Linkspartei ausschließlich Anwalt aller Mühseligen und Beladenen sein? Oder muss sie nicht auch andere Schichten der Bevölkerung im Blick haben, um sich einen festen Platz in der politischen Landschaft der Bundesrepublik zu sichern? Im Osten des Landes ist die PDS längst nicht mehr Partei des "Prekariats", wie es neudeutsch heißt. Mit einem Wählerzuspruch von weit über 20 Prozent reicht ihr Einfluss bis hin zu den Selbständigen und Beamten. Im Westen dagegen hat die PDS schon aus Gründen einer kulturellen Fremdheit nie ein Bein auf den Boden bekommen. Dafür bietet sich nun eine Chance im Verbund mit der WASG. Doch genau diese verlockende Perspektive reißt alte ideologische Gräben auf. Die "Wahlalternative" hat der Zorn über Hartz IV zusammengewürfelt. Die PDS steht jenseits aller klassenkämpferischen Rhetorik für pragmatische Politik, zu der auch die Umsetzung von Hartz IV gehört. In der aktuellen Debatte funktioniert dieser Widerspruch so: Während WASG-Matador Oskar Lafontaine lautstark kritisiert, dass sich die PDS in Berlin überhaupt wieder auf einen rot-roten Senat eingelassen hat, beschwichtigt PDS-Star Gregor Gysi, ohne eine tragende Rolle seiner Mannen würde es für die Hauptstädter noch viel schlimmer kommen. Und am Ende sind alle froh, dass man wieder mal darüber geredet hat. Die Kernfrage, wie man es künftig mit Koalitionen und Kompromissen hält, bleibt unbeantwortet. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Die PDS bringt mehr als 61 000 Mitglieder in die politische Ehe ein, die WASG nicht einmal 12 000. Und trotzdem wird das bundespolitische Überleben der neuen Linkspartei vorrangig von ihrem Erscheinungsbild im Westen abhängen. Der Grund ist schlichte Arithmetik. In den neuen Ländern hat die PDS ihr Potenzial praktisch ausgeschöpft. Fünf Prozent der Wählerstimmen im Osten entsprechen etwa einem Prozent der Wählerstimmen im Westen. Wenn es der vereinigten PDS/WASG nicht gelingt, in den alten Bundesländern die magische Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen, wird sie eine regionale Erscheinung bleiben. nachrichten.red@volksfreund.de

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