Aufschrei mit Tradition

Das Gespenst einer steigenden Mehrwertsteuer geistert mit schöner Regelmäßigkeit durch den politischen Raum. Und jedes Mal fällt die öffentliche Meinung mit Abscheu und Empörung über die Urheber her. So erging es auch Unionsmann Friedrich Merz, der laut über die Finanzierung des Kopfpauschalenmodells in der Krankenversicherung nachdachte, das seine eigene Partei (!) vor Jahresfrist zum Beschluss erhoben hatte. Schon dieser Umstand wirft ein Schlaglicht auf die verquere Diskussion. Natürlich sind Steuererhöhungen bei den Bürgern höchst unpopulär. Deshalb lauern die politischen Gegner geradezu darauf, aus einem gegenteiligen Vorstoß der jeweils anderen Seite Honig zu saugen. Die Notwendigkeit eines Gesamtkonzepts tritt dabei zwangsläufig in den Hintergrund. So verzeichnen zum Beispiel die skandinavischen Länder einen deutlich höheren Mehrwertsteuersatz als bei uns. Dafür hält sich dort die Beitragslast zur Sozialversicherung stark in Grenzen. Auch hierzulande führt die politische Klasse eine radikale Senkung der Lohnnebenkosten gern im Munde. Doch vor der Konsequenz einer partiell steigenden Steuerlast drücken sich alle Beteiligten nach Kräften. Ähnlich steht es um die Debatte über eine durchgreifende Steuerreform. Wer niedrige Tarife will und obendrein noch eine Steuervereinfachung, der muss sich auch zu Umschichtungen bekennen. Die Streichung von Ausnahmetatbeständen bedeutet letztlich ebenfalls eine Mehrbelastung für die Bürger. Über solche Punkte würde sich eine unaufgeregte Diskussion lohnen. Doch die Chancen dafür stehen schlecht, so lang jede Seite nur ihr parteipolitisches Süppchen kocht. Der nächste Aufschrei bei der Mehrwertsteuer kommt bestimmt. nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort