Augen nicht verschließen

Geht es um Aussiedler, werden zumeist die Augen verschlossen. Probleme werden erst gar nicht angesprochen. Gewalt, Drogenkriminalität, Alkohol, Ghetto-Bildung - darüber redet man in Zusammenhang mit Russland-Deutschen nicht. Aus Angst, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Aber auch aus Angst, das Versagen der hoch gelobten Integrationspolitik einzugestehen.

Es gehört viel Mut dazu, schonungslos die Schwachpunkte der Eingliederung von Aussiedlern aufzuzeigen und praktikable Lösungswege aufzuzeigen. Dabei geht es nicht darum, die Zuwanderer als Gewalttäter und Kriminelle zu stigmatisieren. Es geht darum, zu verstehen, warum es die Probleme gibt, und warum diese immer größer werden.Insofern ist die neueste Studie des Trierer Soziologen Waldemar Vogelgesang bemerkenswert, zeigt sie einerseits, dass die bisherigen Bemühungen, die Zuwanderer zu integrieren mehr oder weniger ins Leere laufen, und zum anderen legt sie die Lebenswirklichkeit der jungen Russland-Deutschen offen. Obwohl sie laut ihres Passes deutsche Staatsbürger sind, fühlen sich viele nicht als Deutsche, sie sind entwurzelt und heimatlos, oft unfreiwillig in einem Land, von dem sie nichts kennen, noch nicht einmal die Sprache. Integration muss in diesem Fall scheitern. Sie geht an der Lebenswirklichkeit der meisten Auswanderer vorbei. Zumal Integration mehr ist als nur Sprachunterricht. Integration muss auch heißen, die Fremden zu verstehen, ihre Herkunft zu kennen, ihren kulturellen Hintergrund. Das ist mühsam, das kostet Geld. Zu einer ehrlichen Integrationspolitik gehört auch, niemanden gegen seinen Willen einzugliedern. Vielleicht ist vielen jugendlichen Aussiedlern mehr geholfen, wenn man ihnen anbietet, sie bei der Rückkehr in ihre wirkliche Heimat zu unterstützen. Auch darüber muss offen diskutiert werden. Fest steht aber: Die bisherige Integrationspolitik ist gescheitert, sie erreicht nicht die, für die sie geschaffen worden ist: Aussiedler.

Ein Umdenken ist erforderlich, die Studie zeigt wie.

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