Ausbildung im Toll-Haus

Frühjahrs-Sturm und Herbst-Entspannung, mit diesen beiden Schlagworten belegen Wirtschaftswissenschaftler die Situation am deutschen Ausbildungsmarkt. Die Ausgangslage ist Jahr für Jahr die gleiche. Zuerst klafft zwischen Lehrstellenbewerbern und den beim Arbeitsamt gemeldeten freien Stellen ein riesiges Loch, doch mit jedem Monat, der ins Jahr geht, schließt sich die Schere zwischen Angebot und Nachfrage. In der Region Trier gehen die Verantwortlichen inzwischen ernsthaft, aber ohne Hektik an die Ausbildungsfrage heran. Mit gemeinsamen Aktionen ist es gelungen, fast jedem Jugendlichen eine Lehrstelle anzubieten - und das im dritten Jahr des wirtschaftlichen Abschwungs. Rund 37 000 Jugendliche haben allerdings bundesweit noch keine Lehrstelle, und bei noch etwa 13 000 freien Stellen werden die meisten von ihnen in diesem Jahr auch keinen Ausbildungsplatz finden. Diese Zahl lässt sich nicht schön rechnen und sie ist eine große Belastung für die Gesellschaft. Doch kann eine Ausbildungsplatzabgabe in Zukunft eine solche negative Bilanz verhindern? Wohl kaum. Hinter der Ausbildungsplatzabgabe versteckt sich ein Beruhigungsmittel für die Gewerkschaften. Bei all dem "Sozialabbau", den Kanzler Schröder in den letzten Monaten verkaufen musste, ist die Maßnahme ein kleines Stück "sozialen Gewissens", das die Regierenden beim Parteitag ihren Genossen vorsetzen wollen. Böse Zungen werfen dem rot-grünen Lager sogar schon Lobbyismus vor. Schließlich gebe es eine ganze Reihe von gewerkschaftsnahen Bildungsträgern, die gerne in die Ausbildungsbresche vorspringen würden, wenn der Staat das Geld rüberschiebt. Doch Ausbildung kann nicht verordnet werden, sondern muss sich am Markt orientieren. Eine Abgabe wird aber das Duale Ausbildungssystem in Deutschland, um das uns viele Staaten beneiden, unterhöhlen. Ökonomisch gesehen ist die Abgabe zudem großer Schwachsinn. Ein hoher bürokratischer Aufwand wird nötig sein, um die "Strafsteuer" einzutreiben, viele Unternehmen werden die Abgabe als Freifahrtschein ansehen, sich von der gesellschaftlichen Aufgabe freizukaufen, und wenn die Abgabe eingeführt wird, kommen ab 2007 die geburtenschwachen Jahrgänge, und der ganze Spuk schlägt ins Gegenteil um. Es scheint, als bastelten sich Schröder & Co. mit der Ausbildungsabgabe ein neues Toll-Haus. h.waschbuesch@volkfreund.de

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