Basta-Stil und Pressefreiheit

Auf natürliche Weise ist das Verhältnis zwischen Presse und Politik problembehaftet. Man braucht einander, bedingt einander. Pikant ist dabei der Umstand, dass die journalistische Seite die Informationen der politischen Seite benötigt, um diese auftragsgemäß - im Idealfall fair und korrekt - kritisieren zu können. Diese gegenseitige Abhängigkeit führt mitunter zu Reibungen. Vor allem dann, wenn sich eine Seite nicht an die vereinbarten Regeln hält. Berliner Korrespondenten und Journalistenverbände werfen dem Bundeskanzler vor, die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit zu untergraben, weil Schröder zwei Medienleute nicht auf Auslandsreisen mitnehmen wollte und darüber hinaus der Bildzeitung keine Interviews mehr geben will. Ein schwerer Vorwurf, der im Kern eine gewisse Berechtigung hat, aber der Relativierung bedarf. Unbestritten ist Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern (Italien!) geradezu ein Paradies der Pressefreiheit. Zwar gibt es auch hierzulande immer wieder Versuche, unliebsame Medienleute einzuschüchtern. Doch das demokratische Korrektiv funktioniert, wie am flächendeckenden Protest gegen scheinbar willkürliche Strafmaßnahmen des Kanzlers zu beobachten ist. Andererseits geht es bei diesem grundsätzlichen Streit auch um die Dimension der Ethik: Ist die Pressefreiheit grenzenlos? Wo finden diese Rechte gemäß Artikel 5 GG ihre Schranken? Oder profan gefragt: Muss sich ein Bundeskanzler alles gefallen lassen? Selbstverständlich ist der frustgetränkte Versuch des Regierungschefs, missliebige Journalisten durch partielle Ausgrenzung bestrafen zu wollen, nachdrücklich zu verurteilen. Aber es existiert eben auch eine zweite Seite der Medaille. Sie kommt im aktuellen Fall in Form der Bildzeitung daher, jenem Boulevardblatt, das sich nicht scheut, das hohe Gut der Pressefreiheit in oft schamloser Weise auf seine Belastbarkeit zu testen. Von ausgewogener Berichterstattung und Objektivität kann man jedenfalls nicht immer reden, dafür oft von scharfer Zuspitzung und Kampagnen-Journalismus. Selbst Mitarbeiter des Hauses Springer rümpfen mitunter die Nase, wenn das Blatt versucht, politische Prozesse zu beeinflussen, Personen hoch zu jubeln ("Pop-Titan Bohlen”) oder klein zu raspeln ("Sie machen uns krank, Frau Schmidt”). Ganz zu schweigen von der geschmacklosen Praxis, mit immer drastischeren Sex-Artikeln Auflage zu machen. Leider haben es bisher weder Politiker noch Medienorganisationen gewagt, die zunehmende Missachtung journalistischer Ethik offen zu kritisieren, sei es bei der mächtigen Bildzeitung oder anderswo. Auch Schröders dünnhäutige Reaktion ist erst erfolgt, als er für sich persönlich die Grenze des Erträglichen erreicht sah. Gleichwohl könnte und sollte seine Boykott-Drohung Anlass für den Journalismus sein, auch mal das eigene Verhalten selbstkritisch zu hinterfragen. Die Tendenz des schulterzuckenden Tolerierens journalistischer Fragwürdigkeiten dient jedenfalls nicht der Verbesserung der Hygiene. Ungeachtet dessen wäre Schröder gut beraten, seinen Ba-sta-Stil zu überdenken und in aller Konsequenz zu beherzigen, was er von der Gegenseite erwartet: Fairness und die Respektierung der Regeln. nachrichten.red@volksfreund.de

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