Bauern können aufatmen

BERLIN. Ob zum Spargelstechen im Frühjahr, zur Erdbeerernte im Sommer oder zur Weinlese im Herbst – Arbeitskräfte auf deutschen Feldern waren im vergangenen Jahr knapp. Doch Bauern können jetzt aufatmen: Bundesarbeitsminister Franz Müntefering lockert die Regeln für Erntehelfer.

Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hat die Arbeitsagenturen angewiesen, flexibler als bisher mit den Vorgaben seiner umstrittenen Erntehelferregelung zur Zulassung von mittel- und osteuropäischen Saisonarbeitskräften zu verfahren. Das geht aus einer unserer Zeitung vorliegenden Arbeitsanweisung der Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Umsetzung der Regeln hervor. In diesem Jahr können deutlich mehr Osteuropäer eingesetzt werden, wenn Engpässe bestehen. Müntefering kommt damit den vielen Kritikern der Erntehelferregelung auch aus den Reihen der großen Koalition entgegen. Das Arbeitsministerium bestätigte gestern auf Anfrage, dass es sich bei dem mehrseitigen Papier um eine "abgestimmte" Vorgehensweise von Ministerium und BA handele. Die Anweisung enthält gegenüber der ersten Fassung von Dezember 2005 erhebliche Änderungen. Demnach wird in Regionen mit hohem Bedarf an Saisonarbeitskräften und geringer Arbeitslosigkeit die Vermittlung zusätzlicher ausländischer Erntehelfer erleichtert. Die dortigen Arbeitsagenturen sollen Landwirten gleich 90 Prozent anstatt zunächst lediglich 80 Prozent der Zulassungen mittel- und osteuropäischer Arbeitskräfte aus dem Jahr 2005 genehmigen. Bislang sollte der Anteil deutscher Saisonarbeiter bei 20 Prozent liegen und nur in ganz besonderen Fällen zehn Prozent betragen dürfen - die "80:10:10-Regelung" ist nun praktisch Makulatur. Aus Sicht der Landwirtschaft war die Vorgabe ohnehin ein Flop. Im vergangenen fehlten in zahlreichen Regionen Spargelstecher oder Obstpflücker: So gab es 2005 laut Arbeitsanweisung der BA noch rund 320 000 ausländische Arbeitskräfte, unter anderem durch die Eckpunkteregelung sank die Zahl in 2006 auf nur noch 259 000. Der Mangel an Arbeitskräften konnte durch deutsche Arbeitslose vielerorts nicht ansatzweise kompensiert werden: Laut einer Erhebung der BA waren von etwa 7800 nur knapp 2900 zur Arbeit erschienen. Lediglich 1264 hielten die anstrengenden Tätigkeiten durch. Ein Großteil der deutschen Bewerber sei den Anforderungen "fachlich, psychisch und physisch" nicht gewachsen gewesen, so die BA. Nach Angaben des Bauernverbands fuhren die Landwirte deshalb Verluste in zweistelliger Millionenhöhe ein. Wegen fehlender oder unmotivierter Saisonarbeiter vergammelte sogar Gemüse auf den Feldern. Die Arbeitsagenturen müssen dem Arbeitgeber nun spätestens sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Erntebeginn erklären, ob in seiner Region 90 Prozent osteuropäische Helfer zum Einsatz kommen dürfen. Mit der neuen Arbeitsanweisung der BA werde ein "bedeutender Fortschritt gegenüber der letztjährigen Saison" erzielt, kommentierten Agrarexperten der Koalition Münteferings Vorgehen.

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