Beängstigende Parallelen

Während die Terrorattacken des 11. September, die sich gestern zum vierten Mal jährten, zunächst die US-Bürger vereinten, zeigen sich in den Tagen nach dem Hurrikan "Katrina" nun schonungslos die Verwerfungslinien innerhalb der amerikanischen Gesellschaft.

Während die Terrorattacken des 11. September, die sich gestern zum vierten Mal jährten, zunächst die US-Bürger vereinten, zeigen sich in den Tagen nach dem Hurrikan "Katrina" nun schonungslos die Verwerfungslinien innerhalb der amerikanischen Gesellschaft. Eine der Kernfragen lautet dabei nämlich: Hätte es eine schnellere und effektivere staatliche Antwort auf die von Experten seit langem befürchtete Naturkatastrophe gegeben, wenn die meisten der Betroffenen nicht arm und schwarz gewesen wären?Der Versuch von George W. Bush vom Wochenende, diese wunden Stellen mit fortgesetztem verbalen Pathos und Einigkeits-Appellen zu überdecken, dürfte weniger Erfolgschancen besitzen als die auf Hochtouren laufenden Versuche, das nun weitgehend unbewohnte New Orleans trockenzulegen.

Die Hoffnungen einer Nation, dass die Regierung vier Jahre nach 9/11 bessere Rezepte für den Umgang mit einem Desaster gewaltigen Ausmaßes haben würde, sind brutal enttäuscht worden - vor allem durch das kolossale Versagen der politischen Führung. Inkompetente Behörden, unzureichende Planung für den Ernstfall, mangelhafte Koordination zwischen staatlichen und lokalen Stellen und zu guter Letzt ein Mann im Weißen Haus, der wichtige Schaltstellen wie den Job des

obersten Katastrophenschützers nicht nach Qualifikation vergab, sondern Parteibuchträger, Stiefellecker und Ja-Sager belohnte. Diese unbestreitbaren Fakten zeigen, dass die Bush-Regierung unter einer tief in ihrem System verankerten Unfähigkeit leidet, angemessene politische Antworten auf die großen Herausforderungen dieser Zeit zu finden und sich gleichzeitig fast vollständig jeglicher Selbstkritik und Rechenschaft entzieht.

Dies ist in der Zeit nach den Terror-Attacken des 11. September 2001 vor allem durch die Entscheidung offenkundig geworden, in einen umstrittenen Krieg unter falschen Voraussetzungen und ohne eine schlüssige Endstrategie zu ziehen. Und es wird wieder in diesen von Chaos, Elend und Verzweiflung geprägten Tagen deutlich: Krisen verlangen Führungsstärke. Doch was George W. Bush und seine engsten Mitarbeiter seit "Katrina" gezeigt haben, sind lediglich Unentschlossenheit, Hilflosigkeit und der Versuch, Schuld an dem kolossalen Versagen hin und her zu schieben. Tragisch dabei ist, dass Bush natürlich weiß, dass er keine politischen Konsequenzen fürchten muss: Der Kongress wird auf Grund seiner republikanischen Mehrheit dem Präsidenten nicht weh tun, der Opposition in den USA fehlt es an Durchschlagskraft. Und der Oberste Gerichtshof wird wohl auf Jahrzehnte von regierungsfreundlichen Richtern dominiert werden. Der mächtigste Mann der Welt darf also weiterwursteln - und eine ganze Nation muss beten, dass es unter diesem Dilettanten nicht noch einen weiteren Katastrophenfall geben wird.

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