Bittere Wahrheit

Die schlimmsten Schlagzeilen hat die Bundesregierung mit ihrem Notpaket zur Rentenversicherung wohl abgewendet: Der Beitragssatz bleibt auch im kommenden Jahr stabil. Alles andere wäre verheerend für die konjunkturelle Entwicklung gewesen, die bekanntlich mit der Reformagenda Gerhard Schröders Auftrieb erhalten soll.

Eine Erhöhung der Lohnnebenkosten hätte diese schöne Erwartung garantiert zunichte gemacht. Klar war allerdings auch, dass eine solche Entscheidung nicht zum Nulltarif zu haben sein würde. Bei der politischen Wahl zwischen Pest und Cholera trifft es nun vor allem die Rentner. Durch eine Nullrunde und die Erhöhung ihrer Pflegebeiträge "finanzieren" sie die Beitragsstabilität in erheblichem Maße mit. Die Maßnahmen laufen praktisch auf eine Kürzung der Rentenbezüge hinaus. Das ist die bittere Wahrheit der Krisensitzung im Kanzleramt. Fast noch schlimmer hat es allerdings Hans Eichel getroffen. Die Finanzlöcher in der Rentenkasse sind nämlich zu groß, um sie allein durch die Sparopfer der älteren Generation zu stopfen. Eine weitere Beschneidung der Altersbezüge wäre freilich in der SPD nicht durchsetzbar gewesen. Also wird solide Haushaltspolitik einmal mehr durch das Prinzip Hoffnung ersetzt: Eichel hofft, dass seine Kabinettskollegen noch eine Milliarde Euro locker machen. Dabei lehrt die Erfahrung, dass er dem Geld wohl vergeblich hinterher laufen wird. Außerdem muss Eichel auf die Liquidität der Rentenkasse hoffen. Denn die faktische Auflösung der Rücklagen bedeutet für seinen Etat ein zusätzliches Risiko. Und dann ist das noch eine weitere Milliarde Euro, die er sich von vornherein pumpen muss. So gehen alle guten Vorsätze Eichels den Bach hinunter. Sein Rücktritt wäre ein Beitrag zur Selbstachtung. nachrichten.red@volksfreund.e

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