Bitterer Nachgeschmack

Die Kleinaktionäre von T-Online müssen sich verschaukelt vorkommen. Vor gut viereinhalb Jahren haben sie 27 Euro für eine Aktie des Internet-Anbieters gezahlt. Tausende haben dem von der Mutter Telekom selbst initiierten Volksaktien-Boom damit ihren Tribut gezollt.

Zunächst stieg das Papier auf 48 Euro, danach ging es nach und nach bergab - bis auf 4,85 Euro. Heute soll die Telekom-Tochter T-Online noch 8,99 Euro je Aktie wert sein. Wenig Rest vom Schützenfest, wenn man bedenkt, dass die T-Online-Aktie als Mittel zur sicheren Altersvorsorge von Bundes- und Unternehmensseite verkauft worden ist. Trotz ihres Werteinbruchs gehört das Papier immer noch zu den am meisten gehandelten Aktien in seinem Segment, dem TecDax, gilt als Zugpferd und Schwergewicht seiner Zunft. Höhnisch klingen da einzelne Analystenangaben, die von "fairen Werten" angesichts des Marktumfeldes sprechen. Umso mehr müssen sich die vielen Kleinanleger mit zehn oder 20 Aktien im Gepäck "enteignet" vorkommen, als diejenigen, die die Zechen für Börsenpläne eines Hochfliegers wie Ron Sommer zu zahlen haben. Die Aktionäre waren gut genug, den Börsenboom mit zu finanzieren, sind treu mit durch die Talsohle der Branche geschritten. Auf dem Weg zu mehr Profit und Rentabilität stehen sie nun aber im Weg - und das im ersten Halbjahr, in demT-Online wieder schwarze Zahlen schreibt. Aus unternehmerischer Sicht mag der Schritt der Neu-Integration von T-Online zur Mutter Telekom vielleicht der richtige Weg sein. Sparten mit gleichen Aufgaben und gleichen Zielgruppen werden sich so keine Konkurrenz machen. Hinzu kommt der Abbau von Beteiligungen des Bundes an der Telekom. Ein richtiges Zeichen in Richtung weiterer Privatisierung. Immerhin ist die Mutter Mehrheitseigner, die ihre Macht ausspielt. Ob dies die privaten Anteilseigner und damit nun auch einstige T-Online-Aktionäre freudig stimmt, ist abzuwarten. Nichtsdestotrotz bleibt der bittere Nachgeschmack vom schnellen Geld an der Börse auf Kosten von Moral und Fairness. s.schwadorf@volksfreund.de

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