Bitterer Nachgeschmack

Mit der Gefreiten Lynndie England ist jetzt das bekannteste Gesicht des Abu Ghraib-Folterskandals verurteilt worden. Die dreijährige Haftstrafe für die 22-Jährige und ihre unehrenhafte Entlassung aus der Armee dürften die Kritik an der Aufarbeitung der Misshandlungs-Affäre jedoch eher noch verstärken.

Mit der Gefreiten Lynndie England ist jetzt das bekannteste Gesicht des Abu Ghraib-Folterskandals verurteilt worden. Die dreijährige Haftstrafe für die 22-Jährige und ihre unehrenhafte Entlassung aus der Armee dürften die Kritik an der Aufarbeitung der Misshandlungs-Affäre jedoch eher noch verstärken. Denn bei guter Führung kann Lynndie England bereits nach 18 Monaten die Zelle verlassen - was vielen angesichts der möglichen Maximalstrafe von neun Jahren als zu niedrig erscheinen könnte. Dabei waren die Beweise erdrückend - auch deshalb, weil die Übergriffe hieb- und stichfest auf Fotos festgehalten worden waren. Das Bild, auf dem die Soldatin einen nackten und am Boden liegenden Iraker wie einen Hund an der Leine hält, wird zweifelsohne als einer der Tiefpunkte in die amerikanische Militärgeschichte eingehen.Ein bitterer Nachgeschmack bleibt jedoch nicht nur wegen des sehr niedrig anmutenden Strafmaßes für die Gefreite zurück. Denn jene Führungskräfte in Politik und Armee, die nach den bisher bekannt gewordenen Details einen harten Umgang mit Gefangenen wünschten und damit zumindest das Klima für einen Missbrauch begünstigten, haben sich bisher jeglicher Verantwortung entziehen können. Das dürfte auch daran liegen, dass ausgerechnet Mitglieder des Pentagon im Frühjahr dieses Jahres mögliche Fehltritte der oberen Ränge untersuchten - und dabei wenig überraschend zu dem Ergebnis kamen, dem früheren Oberbefehlshaber Ricardo Sanchez und weiteren Offizieren sei keine Mitschuld anzulasten.

Und auch Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der stets eine klare Abgrenzung zwischen harten Verhörmethoden und Foltermaßnahmen vermieden hat, erfreut sich weiter des Vertrauens von Präsident George W. Bush. Von einem befriedigenden Schluss-Strich unter den Skandal kann man deshalb trotz der Aburteilung der Soldatin England nicht reden.

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