Bosse auf Schmusekurs

Berlin. Auf dem Deutschen Arbeitgebertag war Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt am Dienstag voll des Lobes für Betriebsräte und Gewerkschaften. Und für Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Das Prädikat "orientierungslos" bekam dagegen die Union verliehen.

"Ich bin gerne gekommen”, sagte der Kanzler, als er wieder ging. Die Leute glaubten dem Gast und dankten ihm mit freundlichem Applaus. Nun war Gerhard Schröder am Dienstag in Berlin nicht bei einer SPD-Veranstaltung, sondern bei der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), die der rot-grünen Koalition nicht unbedingt wohl gesonnen ist. Doch der Regierungschef und die Bosse der Republik fremdeln schon lange nicht mehr, sie sind sich sogar in vielen Punkten einig. Und so wurde auf dem "Deutschen Arbeitgebertag” deutlich, dass der Sozialdemokrat bei den Wirtschaftsführern offenbar lieber gesehen ist als seine politische Konkurrentin Angela Merkel. Die CDU-Vorsitzende machte der illustren Wirtschaftsrunde im Hotel Maritim ebenfalls ihre Aufwartung, und sie durfte den Platz einnehmen, den Schröder nach seiner Rede verlassen hatte. Der direkte Vergleich zwischen Kanzler und Oppositionsführerin erweckte bei den meist konservativ durchwirkten Teilnehmern den Eindruck, dass die Interessen der Wirtschaft bei Schröder offenbar gar nicht so schlecht aufgehoben sind. Jedenfalls scheinen die Arbeitgeber von Merkels politischen Künsten nicht besonders angetan, wie die Umfragen des Allensbach-Instituts und des Psephos-Instituts nahe legen: Die CDU-Chefin wird von der deutschen Führungsetage negativ, der SPD-Kanzler dagegen positiv bewertet. Zudem ist nicht nur BDA-Präsident Dieter Hundt enttäuscht von der "orientierungslosen Union” und ihrem komplizierten Gesundheitskompromiss, den er mit Blick auf Merkel "faul” nannte, was diese mit einem verständnislosen Kopfschütteln quittierte.Weichgespülte Forderung

Das Thema des Tages, die Mitbestimmung, zog sich wie ein roter Faden durch die Konferenz. Und während nur ein Steinwurf vom Hotel entfernt der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering im Verein mit seinem grünen Kollegen Reinhard Bütikofer und DGB-Chef Michael Sommer vor Gewerkschaftern gegen die Aushöhlung der Mitbestimmung wetterte ("Ein Anschlag auf unsere Demokratie”), schlugen Hundt und Schröder im Saale sanfte Töne an. Niemand habe die Absicht, die betriebliche Mitbestimmung in Frage zu stellen, säuselte der Arbeitgeber-Präsident. Lediglich in der Unternehmensmitbestimmung - sprich: paritätische Besetzung im Aufsichtsrat - müsse man sich an die "internationale Entwicklung” anpassen. Hundt spülte seine Forderung noch weicher, indem er "die Vielzahl von beachtlichen betrieblichen Vereinbarungen" lobte, der Arbeitnehmerseite "Respekt” zollte für "verantwortungsvolles Handeln” und sich als "altmodischer” Anhänger derTarifautonomie und der Sozialpartnerschaft bekannte. Da klatschte selbst der Kanzler Beifall. Überhaupt war Hundt auf Schmusekurs an diesem Dienstag, so dass sich auch Schröder über "Lob und Anerkennung fürs= Kurshalten” freuen durfte. Die Wirtschaft ist dankbar für die Agenda 2010, weshalb sie dem Initiator ihre Unterstützung zusagte. CDU-Chefin Merkel beklagte in bewährter Oppositionsmanier die hohe Arbeitslosigkeit, die hohen Schulden, das magere Wachstum. Sie sah "Deutschland am Scheideweg” und meinte, man stehe mit den Reformen erst am Anfang. Damit es aufwärts gehe, müssten das Tarifvertragsrecht und die Mitbestimmung "fortentwickelt” werden. Genau das wollten die Wirtschaftsführer hören, und so bekam Angela Merkel am Ende jene Dosis Zustimmung, die jemand braucht, der gerade selbst am Scheideweg steht. Denn trotz aller Sympathie für die Politik der Union wird die Parteivorsitzende auch in der Wirtschaft zunehmend skeptisch gesehen. Der Beifall war für Merkel wie für Schröder freundlich. Doch der Applaus für den Amtsbonus-Besitzer klang auch nach Respekt. Den muss sich die Aspirantin noch erarbeiten.

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