Bundeshaushalt bleibt tabu

BERLIN. Die rot-grüne Koalition gibt sich bürgernah. Nach wochenlanger Diskussion hinter den Kulissen haben die Rechtsexperten der beiden Fraktionen jetzt einen ersten Gesetzentwurf zur Einführung von Volksabstimmungen auf Bundesebene fertig gestellt, der allerdings noch ein paar wichtige Details offen lässt.

SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter verwies dazu gestern auf weiteren Abstimmungsbedarf zwischen den einzelnen Fraktionsgremien. Der Gesetzentwurf solle aber noch im Herbst in den Bundestag kommen, sagte Benneter gestern in Berlin. Nach dem unserer Zeitung vorliegenden Entwurf soll das parlamentarische System durch die direkten Beteiligungsrechte der Bürger "ergänzt, jedoch nicht ersetzt werden".Union lehnt Entwurf ab

Für eine Volksinitiative zur Einbringung einer Gesetzvorlage müssen mindestens 400 000 Wahlberechtigte unterschreiben. Kommt das Gesetz innerhalb von acht Monaten nicht zu Stande, wird ein Volksbegehren für den Volksentscheid fällig. Es ist dann erfolgreich, wenn mindestens fünf Prozent der Wahlberechtigten zugestimmt haben. Sollte sich das Parlament danach immer noch dem begehrten Gesetz verweigern, findet ein Volksentscheid statt. Das für den Erfolg notwendige Quorum ist allerdings noch strittig. Die alternativ aufgeführten Varianten sehen vor, dass zu einem einfachen Gesetz entweder eine Mehrheit von zehn oder von 15 Prozent der Wahlberechtigten "Ja" sagen muss. Für ein verfassungsänderndes Gesetz ist die Zustimmung von mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten erforderlich. Nach der Vorlage sind Volksentscheide grundsätzlich zu allen innenpolitischen Themen möglich. Damit wäre sogar eine Revidierung des rot-grünen Atomausstiegs denkbar. Drei Bereiche schließen SPD und Grüne allerdings aus: Der Bundeshaushalt, Steuer- und Abgabengesetze sowie die Wiedereinführung der Todesstrafe bleiben für Volksabstimmungen tabu. Bei der außenpolitischen Gesetzgebung soll die Bürgerbeteiligung nur eingeschränkt zum Zuge kommen. Die Entscheidung, was den Bürgern vorgelegt wird, ist demnach vom Bundestag zu treffen. Das würde beispielsweise für eine Abstimmung über die EU-Verfassung oder über den EU-Beitritt einzelner Länder wie der Türkei gelten. Auch hier sind noch zwei Textvarianten in der Diskussion, nach denen der Bundestag dabei eine mehr oder minder große Entscheidungsbefugnis bekommen soll. Für die Union ist die Vorlage der Regierungsparteien gleichwohl zum Scheitern verurteilt. "Wir haben da eine prinzipielle Position: Wir lehnen Volksentscheide auf Bundesebene ab", sagte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, unserer Zeitung. Das parlamentarische System in Deutschland habe sich bewährt. Volksentscheide seien keine bessere Form der Demokratie, so Röttgen. Zur Durchsetzung der plebiszitären Elemente wäre eine Änderung des Grundgesetzes notwendig, die von mindestens zwei Drittel der Abgeordneten im Bundestag beschlossen werden müsste. SPD-Chef Franz Müntefering hat erst vor wenigen Tagen vorgerechnet, dass diese Mehrheit zu Stande käme, wenn neben der FDP auch die CSU dem rot-grünen Gesetz zustimmen würde. Bei den Christsozialen gibt es durchaus Sympathien für eine Volksbeteiligung. So hatte CSU-Chef Edmund Stoiber im Sommer öffentlich für eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung geworben. Ein Ausscheren der Bayern aus der Fraktionsgemeinschaft hält Röttgen allerdings für undenkbar. Zwar gäbe es in den eigenen Reihen immer wieder "Einzelstimmen", die sich für Volkabstimmungen auf Bundesebene stark machten. Die Fraktion sei jedoch in ihrer "ganz großen Mehrheit" gegen diesen Schritt, so Röttgen.

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