Courage, Frau Merkel

Man darf gespannt sein, wie Angela Merkel es schafft, die diplomatische Balance zu halten zwischen der notwendigen Freundlichkeit gegenüber dem politischen und ökonomischen Wunsch-Partner Russland und der angemessenen Klarheit der Worte, was den Zustand der Demokratie in Putin-Land angeht.

Damit steht es nicht zum Besten, 20 Jahre nach Glasnost und Perestroika. Außenpolitisch schüchtert der russische Riese seine Nachbarschaft ein wie eh und je, seine Teilrepubliken hält er notfalls mit brachialer Gewalt bei der Stange, und innenpolitisch wird die Luft für Kritiker und Demokraten immer dünner. Dass es zuletzt innerhalb weniger Tage Meldungen von der gescheiterten UN-Anti-Folter-Mission in Tschetschenien, dem Säbelrasseln gegenüber Georgien und der Ermordung der Journalistin Anna Politkowskaja gab, ist kein Zufall. Es kennzeichnet die Situation in einem Land, dass vielleicht auf dem Weg zur Demokratie ist, aber keinesfalls schon angekommen. Russland ist zu groß und zu mächtig, als dass es etwas bringen würde, wenn die deutsche Kanzlerin auf ihren Besuch eindrischt. Aber etwas mehr Courage und Einsatzbereitschaft als bei ihrem Vorgänger darf man schon erwarten. Gerhard Schröder hatte Menschenrechtsverletzungen ignoriert, seinem Kollegen Putin gar attestiert, er sei ein "lupenreiner Demokrat". Das dürfte bei Angela Merkel nicht zu erwarten sein. Aber sie sucht ja derzeit auch keinen neuen Job. d.lintz@volksfreund.de

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