Das Ende der Eiszeit

Zumindest ein - auch aus deutscher Sicht - erfreuliches Ergebnis lässt sich bereits aus dem G-8-Treffen herauslesen, das ansonsten von geringen Erwartungen begleitet wird: US-Präsident George W. Bush und Bundeskanzler Gerhard Schröder reden wieder länger und freundlicher miteinander, als dies zu Zeiten der "transatlantischen Eiszeit" der Fall war.

Welche realpolitischen Folgen dies für beide Staaten hat, ist allerdings derzeit noch schwer einschätzbar - zumal es kaum Bewegung in wirklich essenziellen Standpunkten gibt. Trotz der von beiden Seiten nun öffentlich so beschworenen "großen Gemeinsamkeiten" kann der Amerikaner weiter nicht auf wesentliche Hilfsleistungen aus Berlin in Sachen Stabilisierung des Irak rechnen, von der deutschen Zustimmung zur frisch verabschiedeten UN-Resolution und dem Engagement in Afghanistan einmal abgesehen. Und Washington hält trotz aller nach außen verbreiteter Gutwetter-Stimmung weiter an der Abstrafung mancher Kriegsgegner fest, die schon im letzten Jahr absehbar wurde und sich nun in der Konkretisierung der Überlegungen zur massiven Reduzierung der US-Truppenpräsenz im Bundesgebiet offenbart. Ein Lichtblick bei aller neu entdeckten deutsch-amerikanischen Turtelei ist aber, dass es Gerhard Schröder nicht versäumt hat, den Finger in eine der offenen außenpolitischen Wunden Bushs zu legen und die als Schwerpunktthema beim G-8-Gipfel vorgesehene Demokratisierungsinitivate des Weißen Hauses für den Nahen Osten deutlich in Zweifel gestellt hat. Denn Bush irrt, wenn er glaubt, totalitären Staaten wie dem Iran oder anderen reformbedürftigen arabischen Nationen amerikanische Werte per Gipfel-Dekret verordnen zu können - eine Absicht, die nach dem Folterskandal von Bagdad noch schwerer fallen dürfte. Zwar liegt die Ursache für wirtschaftliche, soziale und demokratische Defizite vor allem in der Regierungsform und teilweise diktatorischen Herrschaft mancher Regime im Nahen Osten: Der Ausschluss der Frauen vom Arbeitsmarkt und Wahlrecht ist hier eines der größten Hindernisse. Doch der beste Ansatz scheint zu sein, durch eine Ermutigung und Förderung von Reformbewegungen einen Umschwung von innen zu erreichen - und so langfristig auch jene Frustration über die eigene Lage unter den Bürgern jener Staaten zu beseitigen, die heute als Wurzel des Hasses gegenüber der westlichen Erfolgs-Demokratien dient - und den Terrorrekruten der El Kaida damit ausreichend Nachschub sichert. nachrichten.red@volksfreund.de

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