Das Modell der Zukunft

Wie ein Rakete ist das Wachstum in den USA nach oben geschossen, allein im dritten Quartal um 7,2 Prozent. Die Investitionen stiegen um elf, die Exporte um 9,3 Prozent. Zahlen, von denen wir Deutsche nur träumen können. Die Amerikaner kaufen, was der Geldbeutel hergibt, und - kreditfinanziert - darüber hinaus. Die Bundesbürger dagegen drehen ihre Euros dreimal um und tragen sie, wie die Sparquote zeigt, lieber zur Bank als ins Geschäft. Einer der Gründe, warum in Deutschland die Binnenkonjunktur nicht in Gang kommt und damit die Krise zementiert wird. Nun mag es hierzulande an vielem mangeln. An Vorschlägen, wie dem Problem beizukommen ist, sicherlich nicht. Eines der Zauberwörter heißt "Steuersenkung”, das andere "Arbeitszeitverlängerung”. Auf beiden Feldern überschlagen sich unsere Volksvertreter mit Angeboten und preisen ihre Ideen mit dem Eifer eines billigen Jakob an. Beispiel Steuerreform: CDU-Mann Merz will mit seinem Modell (wie schon die Kollegen Uldall, Solms und Kirchhof vor ihm) Niedrigst-Steuersätze einführen. Das klingt prima. Allerdings müssen diese Steuersätze mit dem Verzicht auf lieb gewordene Vergünstigungen (Pendlerpauschale, Sonn- und Feiertagszulage, Sparerfreibetrag) bezahlt werden. Mancher wird also nicht unbedingt profitieren. Trotzdem ist das Konzept hundertmal besser als das geltende System, weil es klar und einfach ist. Noch interessanter ist die aktuelle Debatte zur Arbeitszeit. Auch hier überbieten sich die Experten in ihren Forderungen: Länger Arbeiten! Rente erst mit 67! Zurück zur 40-Stunden- oder besser noch zur 48-Stunden-Woche! Dies sei "das Modell der Zukunft”, meint der CSU-Abgeordnete Singhammer, der geflissentlich ignoriert, dass etwa die Opel AG und die Deutsche Telekom ihr Heil im Gegenteil suchen und die Arbeitszeit weiter verkürzen. Erinnert sei auch an die Vier-Tage-Woche, mit der VW zehn Jahre gut gefahren ist. Was also ist der richtige Weg? Falsch ist jedenfalls das indirekte Faulenzer-Argument neoliberaler Geister, die Deutschen müssten nur mehr arbeiten und weniger verdienen, so wie die fleißigen Menschen in Amerika und China, dann würden sich die Probleme quasi von selbst lösen. Schön wär´s ja, doch es gibt auch hier genügend Gegenbeispiele: In Spanien wird genau so lange gearbeitet wie in den USA, doch ist auf der iberischen Halbinsel die Arbeitslosenquote noch höher als bei uns. Umgekehrt arbeiten Norweger und Holländer noch weniger als wir, haben aber trotzdem weitaus niedrigere Arbeitslosenquoten. Die simple Logik "mehr Arbeit, mehr Wohlstand” ist genau so verkehrt wie die naive Annahme, eine höhere Dosis Arznei würde gesünder machen. Richtig sind nicht unbedingt längere, sondern intelligentere Arbeitszeitregelungen. Das kann, je nach Branche, mehr oder weniger Arbeit sein. Betriebswirtschaftlich ist unbestritten, dass (unbezahlte) Mehrarbeit die Produktivität steigert und Kosten senkt. Volkswirtschaftlich geht die Rechnung aber nur auf, wenn möglichst viele Menschen möglichst viel verdienen, damit sie konsumieren können. Dann klappt's auch wieder mit dem Aufschwung. nachrichten.red@volksfreund.de

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