Demokratie-Defizit

Eine Menge Geld auf dem Konto und keine materiellen Wünsche mehr: Immer mehr Menschen entscheiden sich, eine Stiftung zu gründen und mit ihrem Vermögen so ein persönliches Anliegen voran zubringen.

Eine rundum begrüßenswerte Entwicklung? Mit Einschränkungen. Denn steigt das Engagement von Stiftungen in der Gesellschaft, besteht die Gefahr, dass sich der Staat - vor dem Hintergrund seiner katastrophalen Finanzsituation - immer weiter aus der Finanzierung öffentlicher Aufgaben zurückzieht. Das wäre deshalb problematisch, weil Stiftungen nicht nach demokratisch legitimierten Grundsätzen, sondern nach Gutdünken entscheiden, wen sie unterstützen und wen nicht. Ein dichtes Netz von Stiftungen würde erheblichen Einfluss darauf nehmen, in welche Richtung sich die Gesellschaft entwickelt. Auch das wäre bedenklich: Stiftungen werden in der Regel von Eliten gegründet und verfolgen deren Interessen - ein weiterer undemokratischer Faktor. Und schließlich muss die Frage gestellt werden, ob die Politik alles richtig macht, wenn die einen nicht wissen, wohin mit ihrem Geld, während Kindergärten Bettelschreiben an Stiftungen verschicken müssen, um die auseinander fallenden Möbel durch neue ersetzen zu können. Wie wäre es, den Staat in die Lage zu versetzen, solchen Aufgaben wieder gerecht zu werden - zum Beispiel per Erbschafts- und Vermögenssteuer, die genau die Klientel treffen, die als Stifter in Frage kommt? Auf diese Weise würden die Mittel nach demokratischen Kriterien verteilt. Um nicht falsch verstanden zu werden: Stiftungen sind wertvoll und wichtig, allen Stiftern gebührt uneingeschränkte Hochachtung. Doch die weitere Entwicklung und die Aufgabenverteilung zwischen ihnen und dem Staat muss kritisch beäugt werden. Und zwar von beiden Seiten. Denn, und das betonen die Stifter selbst: Es kann auch nicht in ihrem Sinne sein, dass sie Aufgaben finanzieren, die eigentlich die des Staates sind. i.kreutz@volksfreund.de

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