Der Brückenbauer

Be-ne-detto! Be-ne-detto! Jubelgesänge, kreischende Fans, verzückte Gesichter, wo immer er auftritt: Der Papst ist Kult. Angehimmelt wie ein Popstar. Gefeiert wie ein Fußballheld, der soeben das Siegtor im WM-Finale erzielt hat.

Sein neues Jesus-Buch entfacht einen Wirbel wie sonst nur Harry-Potter-Romane. Heute wird er 80 Jahre alt - und befindet sich auf dem Gipfel seiner Popularität.Als Joseph Kardinal Ratzinger vor zwei Jahren das älteste Amt auf Erden übernahm und als Benedikt XVI. zum Stellvertreter Christi aufstieg, psalmodierte die "Bild"-Zeitung in medialer Missionarsstellung: "Wir sind Papst." Derlei hymnische Gesänge waren die Ausnahme. Weltweit blieb der Beifall verhalten. Was denn, ausgerechnet dieser knallkonservative, aufklärungsfeindliche Geist, ein Mann, der schnurstracks aus dem Mittelalter zu kommen scheint! Die Kritiker jaulten auf und beschimpften ihn als "Großinquisitor" und "Rottweiler Gottes".Die Wohlwollenden sagten höflich, Ratzinger sei ein Übergangspapst. Ein kühler Intellektueller. Kein "Pontifex der Herzen" wie sein charismatischer Vorgänger Johannes Paul II..Längst hat Benedikt die Bedenkenträger eines Besseren belehrt. Er kommt an beim Kirchenvolk, und er hat es geschafft, den aufmüpfigen linken Flügel der katholischen Religionsgemeinschaft lahm zu legen. Lange nichts mehr gehört von Küng und Drewermann, vom ewigen Streit um die Tabu-Themen Pille und Kondom, Zölibat und Unfehlbarkeit, Mischehe und Interkommunion. Kein Aufschrei von Gegnern der religiösen Retro-Bewegung, als Benedikt seinen Priestern jüngst die Erlaubnis erteilte, die Messe wieder auf Latein zu lesen. Wie macht er das bloß? So unverrückbar seine Positionen sind - er hat einen Weg gefunden: nicht Konfrontation, sondern Dialog. Dieser Pontifex baut Brücken.Er redet mit islamischen Religionsführern über Gott und die Welt, er redet mit Evolutionswissenschaftlern über die Schöpfung, er redet mit Molekularbiologen über die Gentechnik.Dabei lässt Benedikt keinen Zweifel an der Deutungshoheit der katholischen Kirche. Aber er gibt zu: Der Glaube kann nicht alles erklären. Christentum, so eine seiner Kernthesen, ist die Synthese von Vernunft und Glauben. Die Vernunft ist ein göttliches Geschenk. Und der Glaube ist nur dann fest, wenn er vor der Aufklärung nicht bangen muss, sondern selber aufgeklärt ist. Eine gewitzte Argumentation, mit der Benedikt den tiefen Graben zwischen Religion und Wissenschaft überbrückt.Er positioniert die katholische Kirche in der Manier eines Marketingstrategen: als natürliche Antwort auf die Fragen des entwurzelten modernen Menschen auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Gottesvergessenheit ist, so Benedikt, die Ursache aller Probleme - die zunehmende "Schwerhörigkeit" der westlichen Welt gegenüber Gott ("zu viele Frequenzen haben wir im Ohr"). Immer wieder verweist der Papst auf die Kernkompetenzen der katholischen Lehre und formuliert ein schlichtes Ziel: die Rechristianisierung der säkularisierten Gesellschaft. Den Kult um seine Person und die Be-ne-detto!-Gesänge nimmt er weise lächelnd hin - weil er weiß, dass die medial in Szene gesetzte Verehrung seiner Mission dienlich ist: Gott wieder zu den Menschen zu bringen. p.reinhart@volksfreund.de

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