Der Countdown läuft

BERLIN. Der Countdown für die große Staatsreform läuft: Die SPD-Fraktion verlangt Änderungen an den Föderalismusgesetzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will demnächst mit den Ministerpräsidenten der Länder über dieses Thema beraten.

Für die Spitzen der großen Koalition beginnt jetzt ein heikler Drahtseilakt: Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich bei einer Sondersitzung am Donnerstagnachmittag klar für Änderungen an der Föderalismusreform ausgesprochen. Auf der anderen Seite stehen die unionsregierten Länder, die Änderungen bisher ebenso entschieden ablehnen. Die geplante Staatsreform benötigt aber Zweidrittel-Mehrheiten sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag. In der SPD-Fraktion gab es keinen förmlichen Beschluss. Jedoch ließen so viele Kritiker zu so vielen Punkten Dampf ab, dass am Ende klar war: "Ohne wesentliche Änderungen wird es im Bundestag die erforderliche Mehrheit nicht geben". So das Resümee eines führenden Fraktionsmitgliedes. Im Mittelpunkt steht das so genannte Kooperationsverbot. Es untersagt dem Bund künftig, Gelder zur Finanzierung von Schul- oder Hochschulprogrammen bereit zu stellen. Ex-Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sagte unserer Zeitung: "Das Kooperationsverbot muss fallen". Dies sei einhellige Meinung gewesen. "Sonst können wir die Herausforderungen im Bildungsbereich nicht bewältigen." Etliche SPD-Abgeordnete stellten aber auch das so genannte Abweichungsrecht der Länder in Frage. Es besagt, dass die Länder zum Beispiel im Umweltschutz künftig abweichende Regelungen vom Bundesrecht treffen dürfen. Auch die Länderzuständigkeit für den Strafvollzug und das Heimrecht wollen viele Sozialdemokraten kippen. Struck will Kooperationsverbot kippen

Der Ball liegt zunächst bei SPD-Fraktionschef Peter Struck, der nun zur Union gehen muss, um ihr zu sagen, dass die SPD ein im Koalitionsvertrag detailliert geregeltes Gesetz so nicht mehr mittragen will. In seinem Umfeld versucht man die Erwartungen zu dämpfen. Klar sei, dass man nicht alle Änderungswünsche durchsetzen könne. Nun werde erst einmal mit Unions-Fraktionschef Siegfried Kauder verhandelt. Mindestens das Kooperationsverbot will Struck wieder kippen. Er halte es für absurd, sagte Struck in der SPD-Fraktion. Fraglich ist allerdings, ob sich seine Abgeordneten damit zufrieden geben würden. Die Union ließ sich gestern über Kompromissmöglichkeiten nicht in die Karten blicken. Aber man sei gesprächsbereit, hieß es. Das ganze Thema ist Chefsache, denn ein Scheitern würde Kanzlerin Angela Merkel schwer beschädigen. Zumal Bundespräsident Horst Köhler eine schnelle Umsetzung der Reform angemahnt hat. Entscheidend ist das Verhalten der unionsgeführten Landesregierungen. Sie beharren bisher darauf, dass das Paket so verabschiedet wird, wie es zwischen CSU-Chef Edmund Stoiber und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) im letzten Jahr ausgehandelt worden war. Baden-Württembergs Bundesbevollmächtigter Wolfgang Reinhart erinnerte daran: "An diesem Kompromiss muss man festhalten, wenn der erwünschte Erfolg für alle eintreten soll." Kanzlerin Merkel will sich am 22. Juni mit den Ministerpräsidenten treffen, um auch bei ihnen eine gewisse Beweglichkeit herzustellen. Denn sonst würden die Züge ungebremst aufeinander zurollen. Am übernächsten Sonntag soll sich der Koalitionsausschuss mit dem Thema beschäftigen und am 25. Juni bei einem Treffen eine endgültige Einigung versuchen. Nach dem vorliegenden Fahrplan soll der Bundestag Ende Juni und der Bundesrat am 7. Juli entscheiden.

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