Der Mutmacher

Stadionatmosphäre auf dem Münchner Marienplatz. Fähnchen, Fanfarenklänge, Fangesänge. Ein Gebraus wie weiland während der Weltmeisterschaft. "Be-ne-detto, Be-ne-detto", skandiert die Menge. Der Papst hält Einzug in Bayern.

Bejubelt wie ein Pop-Idol, gefeiert wie Klinsi, Poldi & Co., die Fußballhelden. Für das Oberhaupt der katholischen Kirche ist es ein sehr persönliches, hoch emotionales Erlebnis. Joseph Alois Ratzinger, 79 Jahre alt, nimmt Abschied - von seinen Wurzeln, von seinen Ursprüngen. Es wird wohl das letzte Mal sein, dass er am Grab seiner Eltern betet, dass er seinen Bruder Georg besucht, dass er den Menschen dankt, die ihn geprägt haben. Glaube, Heimat, Familie sind die Werte, von denen er in diesen Tagen spricht. Der Papstbesuch, eine sentimentale Reise in die eigene Vergangenheit? Vielen Menschen bedeutet die Visite mehr. Für sie ist Benedikt XVI. ein Mutmacher in Zeiten immer neuer Bedrohungen und Unübersichtlichkeiten. Ein Sinnstifter, der das Gegenprogramm zur Krise der westlichen Kommerzkultur verkündet. Ein Hoffnungsträger, der das weltanschauliche Vakuum mit schlichten Wahrheiten füllt. Längst ist hier zu Lande von der "Renaissance des Religiösen" die Rede. "Gott ist wieder da", raunen Meinungsbildner in tiefschürfenden Aufsätzen. Tatsächlich? Ist der Personenkult um den milde lächelnden Pontifex nicht nur das Ergebnis perfekter Inszenierung und medialer Überhöhung? Mit tief empfundener Rückbesinnung auf die christliche Botschaft hat die "Be-ne-detto"-Jubelorgie jedenfalls wenig zu tun. So wenig wie das WM-Phänomen des Party-Patriotismus mit echter Vaterlandsliebe. p.reinhart@volksfreund.de

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