Der Rürup-Faktor

Die rund 18 Millionen Rentner sind eine Macht im Staat. Keine Partei kommt an ihren Interessen vorbei. Exemplarisch war das im Wahlkampf vor fünf Jahren zu beobachten. Damals sah sich die Union genötigt, vorsichtige Einschnitte beim Anstieg der Altersbezügen zu postulieren.

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Foto: axentis.de / Georg J. Lopata (www.axentis.de )

Im Gegenzug warf die SPD ihre Windmaschine an und verdammte das Vorhaben als unsoziales Teufelswerk. Der Erfolg schien ihr recht zu geben: Die Kampagne trug damals nicht unerheblich zur Regierungsübernahme der Genossen bei. Heute steht Gerhard Schröder vor dem Scherbenhaufen dieses populistischen Schauspiels. Er muss etwas als Reform verkaufen, dass er einst selbst vehement bekämpfte. So ist es eigentlich auch kein Wunder, wenn die Parteibasis rebelliert und die Gewerkschaften die Welt nicht mehr verstehen. Dabei war das Dilemma absehbar. Immer mehr Menschen gehen vergleichsweise früh in Rente. Und immer weniger Beitragszahler stehen für die Auskömmlichkeit ihrer gesetzlichen Alterseinkünfte zur Verfügung. In absehbarer Zukunft kommt auf einen Rentner nur noch ein Arbeitnehmer. Obendrein erfreut sich die ältere Generation einer steigenden Lebenserwartung, was das Finanzproblem noch zusätzlich verschärft. Kurzum, das herkömmliche Rentensystem droht zu kollabieren. Und keine Partei hat bislang daraus die nötigen Konsequenzen gezogen. Vielmehr wurde wichtige Zeit vertan. Um so größer ist nun der Handlungsdruck geworden. Der Beitragssatz dürfte im nächsten Jahr schon wieder die 20-Prozent-Marke schrammen, obwohl zweistellige Milliardenbeträge aus der Ökosteuer in die Rentenkasse fließen und Gutverdiener seit Jahresbeginn deutlich mehr einzahlen. Allein diese Umstände verdeutlichen, dass die weiteren Maßnahmen noch schmerzlicher ausfallen werden. Was auf uns zukommt, machen die Vorschläge der Rürup-Kommission deutlich. Ohne eine weitere Komponente zur Dämpfung der Rentenzahlungen wird es nicht gehen. Ganz gleich, ob sie nun als Demographie-, Rürup- oder Nachhaltigkeits-Faktor daher kommt. Die Sprachverwirrung soll nur davon ablenken, dass Bert Rürup den gleichen Mechanismus schon unter Arbeitsminister Norbert Blüm entwickelt hatte, weshalb er von Rot-Grün gleich wieder gekippt wurde. Der wachsenden Alterung der Bevölkerung trägt auch die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters Rechnung. Die heutige Arbeitsmarktsituation sollte dabei nicht mit der nach dem Jahr 2010 verwechselt werden. Durch die Verschiebung der Alterspyramide dürften dann auch 55- oder 60-jährige im Berufsleben gefragt sein. Die weitere Abflachung des Rentenanstiegs und eine zeitliche Verkürzung der Rentenbezugsdauer sind allerdings nicht genug, um die dramatische Lage in den Griff zu bekommen. Zur Verhinderung einer langfristig drohenden Altersarmut ist ein massiver Ausbau der privaten Vorsorge unumgänglich. Die Reform von Blüm-Nachfolger Walter Riester hat dafür den Boden bereitet. Doch bislang wird die Riester-Rente kaum angenommen. Eine Pflicht zum individuellen Ansparen scheint daher unausweichlich. Ob Rot-Grün die Kraft hat, solche unpopulären Maßnahmen auch durchzusetzen, ist allerdings zweifelhaft. Stärker als das Wohl und Weh der Rentenversicherung wirkt in der Politik immer noch der Blick aufs nächste Wahldatum. Hier müssen auch die Wähler umdenken. Künftig sollte ihnen die ungeschminkte Wahrheit über unsere Alterssicherung das Kreuzchen wert sein. Bislang wurden nur die rentenpolitischen Nebelkerzen belohnt. nachrichten.red@volksfreund.de

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