Der Sieger ist die Jury

Wie mag er sich gefühlt haben gestern Morgen, als er erstmals nach Monaten mit der Gewissheit aufwachte, nicht ins Gefängnis zu müssen? Ein Gefühl von Glück? Von grenzenloser Erleichterung? Von Triumph?

Wie mag er sich gefühlt haben gestern Morgen, als er erstmals nach Monaten mit der Gewissheit aufwachte, nicht ins Gefängnis zu müssen? Ein Gefühl von Glück? Von grenzenloser Erleichterung? Von Triumph? Welchen Grund hätte er dazu - angesichts eines zerbrochenen Lebens, einer zerstörten Karriere, eines zertrümmerten Rufs und einer unsicheren wirtschaftlichen Zukunft? Michael Jackson ist ein freier Mann, doch er ist auch am Ende. Ob er in der eisenharten Welt des Showbusiness noch einmal jemanden finden wird, der ihn nach oben bringen will; ob er selbst noch einmal den Aufschwung schafft - nichts erscheint derzeit unwahrscheinlicher. So empfinden keine Sieger.

Vielleicht fühlt sich ja Thomas Mesereau als Gewinner, Jacksons gewitzter Verteidiger, dem es gelungen ist, die Glaubwürdigkeit der Ankläger gründlich zu erschüttern. Obgleich dies wohl auch einem weniger raffinierten Juristen gelungen wäre angesichts des unglückseligen Auftritts einer Frau mit zweifelhaftem Ruf und ihrem angeblich missbrauchten Sohn. Als größter Verlierer jedenfalls muss sich Ankläger Tom Sneddon fühlen; sein Lebenstraum, Jackson wegen sexuellen Missbrauchs hinter Gitter zu bringen, ist geplatzt wie eine Seifenblase. Dennoch gibt es einen Sieger in diesem bizarren Prozess: die Jury. Trotz ihrer Zweifel haben die Geschworenen für den Sänger votiert - und einige sind dabei gewiss über ihren eigenen Schatten gesprungen.

Hut ab vor den acht Frauen und vier Männern, die in diesem bizarren Prozess, eingebettet in einen abstrusen Medienhype, ein Urteil finden mussten. In ihrer Hand hatte es gelegen, einen Künstler endgültig auszulöschen, und das bigotte Amerika - 67 Prozent der US-Bürger sind laut einer CNN-Umfrage unzufrieden mit dem Urteilsspruch - hätte sie dafür geliebt. Statt dessen haben sie sich dafür entschieden, einem Menschen eine zweite Chance zu geben.

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