Der Spaß ist vorbei

Wieder mal wird die FDP von einer Krise heimgesucht, wieder geht es um die Führungsfrage, wieder beschäftigen sich die Liberalen vornehmlich mit sich selbst. The same procedure as every year, würde Miss Sophie sagen.

Deshalb macht sich auch Verdruss breit in der Partei, ein Gefühl, mit dem die Freidemokraten allerdings vertraut sind: Anspruch und Wirklichkeit klafften in der FDP schon immer auseinander. Und weil sie stets mehr sein wollen als sie sind, produzieren sie gleichsam ihren Dauerfrust selbst. Die Debatte um Guido Westerwelle und seine Generalsekretärin Cornelia Pieper kommt nicht überraschend. Sie ist Ausdruck allgemeiner Unzufriedenheit mit der Arbeit zweier ehrgeiziger Menschen, die sich den Fehler leisteten, die Erwartungshaltung ihrer prätentiösen Parteimitglieder im Rausch der Droge 18 auch noch zu schüren. Und sie ist Ausdruck eines unbewältigten Traumas, das den Namen Möllemann trägt. Möllemann, auch das eine typische Facette seiner tragischen Persönlichkeit, machte das Richtige falsch und das Falsche richtig. Er weckte in der FDP die Lebensgeister, das war richtig, aber er wollte die Partei mit zweifelhaften Methoden zur Volkspartei hochdopen, das war falsch. Warum Mercedes werden wollen, wenn man Porsche sein kann? Jedenfalls hat sich auch Westerwelle dem Sog der betörenden 18 nicht entziehen können. Das war der entscheidende Fehler, wirkt es doch einigermaßen lächerlich, wenn jemand mit großen Förmchen daherkommt und kesse Töne spuckt, am Ende aber nur kleine Küchlein zustande bringt. Auch sonst hat sich der forsche Spaß-Prophet Westerwelle verkalkuliert. Wichtig ist nicht, zu allem und jedem seinen Senf zu geben, um medial gut "rüber zu kommen". Wichtig ist vor allem eine seriöse Programmatik, die sich nicht durchsichtig an den Interessen einer gewissen Klientel orientiert. Offenbar ist der zum Schönreden neigende FDP-Vorsitzende erst nach der öffentlichen Kritik zu dem Eingeständnis bereit, dass seine Partei bei den Wahlen in Bayern blamabel abgeschnitten hat. Ob ein Grund vielleicht darin liegt, dass niemand so recht weiß, was die FDP außer einer radikalen Steuersenkung (und einer Regierungsbeteiligung) eigentlich genau will? Wie dem auch sei: Der Spaß der frühen Jahre ist vorbei. Der junge Vorsitzende ist in der liberalen Wirklichkeit angekommen, und die ist nicht spaßig. Aller Medienpräsenz und geschliffenen Statements zum Trotz ist es ihm nicht gelungen, nachhaltige Duftmarken zu setzen oder ein liberales politisches Relief zu prägen. Aus taktischen Gründen hält er an Pieper fest, die zu vielem fähig sein mag, aber nicht zur Ausführung ihres Amtes. Gleichwohl ist zu erwarten, dass Zeitgeist-Surfer "Guido” diesen Herbststurm überstehen wird. Der Generationenwechsel in der Partei ist nicht mehr umkehrbar, zudem fehlt es an ernsthafter Konkurrenz. Vieles spricht auch dafür, dass der Schuss vor den Bug zur richtigen Zeit kam. Wenn dem Vorsitzenden bei der (Aus)Wahl des nächsten Bundespräsidenten tatsächlich sein "Meisterstück” gelingt, wird die Debatte um seine Führungsqualitäten wieder verstummen. nachrichten.red@volksfreund.de

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