Der Staat im Handy

In John Grishams Meisterkrimi "Die Firma" legt sich ein Netzwerk der Verfolgung über den jungen Anwalt Mitch McDeere. Wann immer er seine Kreditkarte benutzt oder telefoniert, wissen Geheimdienste und Mafia sofort, wo er ist und jagen ihn.

Das gespenstische Buch wurde 1992 geschrieben. Heute ist das Überwachungsnetz erheblich dichter. Auch bei uns. Im Bundestag liegt zur Verabschiedung das "Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikations-Überwachung und anderer verdeckter Ermittlungs-Maßnahmen". Es gestattet der Firma Staat den umfangreichen Zugriff auf Daten über alle Telefonate, SMS, MMS und Internet. Es erlaubt die Herstellung exakter Profile eines jeden. Wann er wie lange mit wem gesprochen hat, und wo er wann gewesen ist.

Wer immer mit heutigen Kommunikationsmitteln hantiert, hinterlässt solche Angaben. IP-Adresse, Kennungen, Handy-Nummern, Sende-Zellen, Zeiten. Alle diese Daten müssen von den Anbietern künftig ein halbes Jahr lang gespeichert werden. Alle diese Daten müssen den Strafverfolgungs-Behörden, aber auch dem Verfassungsschutz, auf Verlangen ausgehändigt werden.

Bisher haben nur Journalisten, Ärzte und Anwälte dagegen protestiert, das aber massiv. Nicht nur in Pakistan gehen Juristen derzeit mit Schlips und Kragen auf die Straße. Sie sehen die besondere Schweigepflicht ihrer Berufsgruppen verletzt. Nur Geistliche, Strafverteidiger und - ausgerechnet - Bundestags-Abgeordnete sind von der Ausspähung ausgenommen.

Den meisten Bürgern ist nicht bewusst, welche Zeitenwende hier eingeläutet wird. Sonst würden auch sie protestieren. Es ist tatsächlich die Wende hin zum gläsernen Menschen. Man muss dem Staat keine böse Absicht unterstellen. Man muss aber die Möglichkeit sehen, die hier für böse Absichten eröffnet wird. Jeder, der künftig kommuniziert, muss sich bewusst sein, dass er dabei nicht allein mit seinem Gesprächspartner ist. Misstrauen und Vorsicht werden bei all jenen einziehen, die einfach nur vertraulich miteinander reden wollen. Die Parkbank wird wieder als Kommunikationsmittel modern werden. Aber die, um die es geht, Straftäter und Terroristen, werden Umgehungsmöglichkeiten finden.

Zweifellos, nach dem 11. September 2001 ist der Gesetzgeber mehr denn je in einer Zwickmühle. Er darf nichts unversucht lassen, um Gefahren abzuwehren und Straftaten aufzuklären. Auch zur Abschreckung. Doch darf er deswegen alles tun, auch so umfassend wie hier geplant? Über dieses Gesetz und seine Folgen ist gesellschaftlich nicht genug debattiert worden. Deshalb gehört es zunächst gestoppt.

 Werner Kolhoff.

Werner Kolhoff.

Foto: Iris Maurer
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