Der Wirtschaft die Stirn geboten

BERLIN. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) musste sich gestern scharfe Vorwürfe von Arbeitgeberpräsident Hundt anhören. Die Kanzlerin reagierte beim Arbeitgebertag gelassen.

Es wirkte phasenweise wie die Notenvergabe an der Schule, als Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt gestern seine Bewertung der Arbeit der großen Koalition abgab. Setzen, Sechs. Angela Merkel hörte den Vorwürfen beim Arbeitgebertag in Berlin mit gesenktem Kopf zu. Und zeigte sich dann völlig unbeeindruckt. "Die große Koalition hat ein Stück Mentalitäts-Veränderung erreicht", konterte sie. Da sollten auch die Verbände mal etwas mehr an das Gesamtwohl der Gesellschaft denken. Schon im Sommer war die Kritik ähnlich massiv gewesen, damals beim Tag der Industrie des BDI. Und schon dort hatte die Kanzlerin den schwierigen Auftritt souverän gemeistert. Während BDI-Präsident Jürgen Thumann im Juni vor allem die Zögerlichkeit der Reformprozesse beklagt hatte, wählte Hundt gestern einen anderen Ansatz. Er maß die Koalition an ihren eigenen Zielen und die Kanzlerin an ihren Versprechungen als CDU-Chefin. Merkels Ziel etwa, dass Deutschland beim Wachstum wieder eine Spitzenposition in Europa einnehmen solle, sei "goldrichtig", aber tatsächlich sei man immer noch drittletzter. Und mit Mindestlohn, Antidiskriminierungsgesetz oder Gewerbesteuer fielen ihm "verdammt viele Stichworte ein, die schlicht und einfach nicht zu den Zielen passen". Am schlimmsten aber sei die Gesundheitsreform. Versprochen worden seien sinkende Beiträge. Nun stiegen sie. Die CDU-Chefin habe immer die Lohnnebenkosten auf unter 40 Prozent senken wollen. "Dieses Ziel wurde aufgegeben", sagte Hundt. Wann, wenn nicht jetzt mit der großen Mehrheit könne man die Ziele durchsetzen. Hundts Kritik spiegelt ein weit verbreitetes Unbehagen der Wirtschaft wider. Laut einer gestern von der Zeitschrift "Capital" veröffentlichten Allensbach-Umfrage halten nur noch 33 Prozent der Top-Manager in Deutschland Merkel für eine starke Kanzlerin. Vor drei Monaten waren es noch 57 Prozent. Nur 22 Prozent sind mit der Wirtschaftspolitik zufrieden, 97 Prozent finden, der Aufschwung habe nichts oder wenig mit der Arbeit der Regierung zu tun. Das meinte auch Hundt. Die gute Lage der Wirtschaft sei den Tarifabschlüssen und den Leistungen der Wirtschaft zu verdanken. Die Kanzlerin entgegnete, die Regierung folge mit ihren Reformen der Erkenntnis, dass Deutschland "so viel besser sein muss, wie wir teurer sind". Und sie beruhigte die Unternehmer. Einen flächendeckenden Mindestlohn werde es nicht geben. Die Kanzlerin wurde von den Arbeitgebern mit Beifall verabschiedet.

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