Der eiserne Kanzler

Die große Überraschung von Neuhardenberg ist ausgeblieben. Das viel zitierte Kaninchen wurde nicht aus dem Hut gezaubert. Wie sollte das auch gehen in Zeiten leerer Kassen? Statt dessen will sich das Kabinett nun am Riemen reißen.

Geschlossenheit, Beharrlichkeit und Berechenbarkeit heißen die Gebot der Stunde. Wenn es überhaupt einen Geist von Neuhardenberg gibt, dann ist es der "Teamgeist" der Minister-Riege. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die keiner öffentlichen Inszenierung an symbolträchtigem Ort bedarf. Des Kanzlers Beschwörung mutet dann auch zwangsläufig wie das berühmte Pfeifen im dunklen Wald an. Die SPD bricht alle Rekorde auf der nach unten offenen Sympathie-Skala. Die eigentlich verbündeten Gewerkschaften machen den Genossen das Leben zusätzlich schwer. Und der wirtschaftliche Aufschwung lässt weiter auf sich warten. In dieser Situation preist die Regierung ein Reformwerk nach dem anderen an. Aber dadurch wird die Lage nicht besser. Im Gegenteil. Beim Hartz-IV-Gesetz, das die Chancen für Langzeitarbeitslose auf einen Job erheblich verbessern soll, ist die beschworene Geschlossenheit schon dahin, bevor die Paragraphen überhaupt in Kraft treten. Während der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat haben auch SPD-Ministerpräsidenten abgewunken. Weiteres Ungemach deutet sich beim rot-grünen Projekt zur verbesserten Kinderbetreuung an. Die Idee ist zweifellos vernünftig. Doch bei der Umsetzung sind der Regierung die Hände gebunden. Verantwortlich zeichnen die Kommunen. Und die klagen über fehlendes Geld. Auch von den noch unerledigten Reformen sind keine erquicklichen Nachrichten für die Wählerschaft zu erwarten. Bei der Pflegeversicherung zahlen Kinderlose künftig drauf, ohne dass sich die Leistungen in irgendeiner Weise verbessern. Und die Bürgerversicherung klingt nur so lange gut, wie sie noch nicht konkret geworden ist. Das Schloss Neuhardenberg wurde übrigens im Jahr 1814 dem Fürsten Karl August als Dank für seinen Reform-Mut geschenkt. Vielleicht urteilen die Geschichtsbücher über Gerhard Schröder einmal ähnlich. In die Annalen der Sozialdemokratie Partei dürfte der "eiserne" Kanzler dagegen als ein Mann eingehen, der den Anfang vom Ende der SPD als Volkspartei markierte. nachrichten.red@volksfreund.de

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