Der letzte Mohikaner

Die SPD wird Kurt Beck an diesem Sonntag ein traumhaftes Wahlergebnis bescheren. Was - oder: wer - bleibt den Genossen auch sonst übrig? In einem Zeitraum von nicht einmal drei Jahren hat es die leidgeprüfte Partei schon mit dem vierten Vorsitzenden zu tun.

Selbst ein Fußballverein in der Abstiegszone wechselt die Trainer weniger häufig. Im Unterschied zur SPD bietet sich dort aber immer noch eine gewisse Auswahl an. Die Sozialdemokraten haben nur noch Kurt Beck. Er ist der letzte respektable Spitzenkandidat einer Partei, die so bedeutende Führungspersonen wie Kurt Schumacher, Erich Ollenhauer und Willy Brandt hervorgebracht hat. Natürlich wird auch Kurt Beck mit Vorschusslorbeer überschüttet. Sein wohl größtes Verdienst: Beck kann Wahlen gewinnen. Jüngst sogar mit absoluter Mehrheit. So etwas hat bei den Sozialdemokraten längst Seltenheitsweit. Schon deshalb gilt der Rheinland-Pfälzer als politisches Schwergewicht. Und sonst? Gerhard Schröder ging als Basta-Chef in die Analen der Parteigeschichte ein. Mit seiner Agenda 2010 begann der Niedergang der Genossen. Daran änderte im Prinzip auch Franz Müntefering nichts. Doch er war der Vorsitzende der Herzen. Matthias Platzeck schließlich sollte politisches Vordenken demonstrieren. Doch seine Krankheit zwang ihn zum Nachdenken und schließlich zum Rückzug. Aber wofür steht Kurt Beck? Nach allen personellen und inhaltlichen Hakenschlägen wünscht sich die geschundene Parteibasis Ruhe und Kontinuität. Spätestens damit beginnen allerdings auch die Probleme. Auch nach Becks Wahl ist nicht geklärt, wer für die SPD in Berlin letztlich das Sagen hat. Vizekanzler Müntefering versteht sich immer noch als heimlicher Parteichef. Und Peter Struck ist als Fraktionsvorsitzender ebenfalls ein Machtfaktor. Zugleich bekommt es Beck mit der seltsamen Situation zu tun, dass die Union über die angeblich starke sozialdemokratische Handschrift in der großen Koalition klagt, die Genossen aber in allen Umfragen weit hinter der Merkel-Truppe zurück liegen. Es scheint, als bleibe etwa die unliebsame Anhebung der Mehrwertsteuer an der SPD hängen, obwohl die Idee doch von der Union stammt. An der Steuerpolitik macht sich dann auch das Herzblutthema der Sozialdemokraten fest: die soziale Gerechtigkeit. Hier ist der künftige Vorsitzende nicht als Visionär aufgefallen. Im Gegenteil. Der Staat steht bei Beck genauso im Zentrum des Denkens wie die klassische Verteilungsgerechtigkeit. Insofern verspricht die Auseinandersetzung mit Finanzminister Peer Steinbrück einige Brisanz. Schließlich ist der Kassenwart ein Fan der Schröderschen Agenda-Politik. Die Krönungsmesse in Berlin am morgigen Sonntag wird schnell vorbei sein. Kurt Beck ist zweifellos machtbewusst. Ob diese Eigenschaft am Ende zur Kanzlerkandidatur der SPD taugt, oder nur zum "Ehrenvorsitz", wird die politische Problembewältigung in der großen Koalition zeigen. nachrichten.red@volksfreund.de

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