Der rot-grüne Rosenkrieg eskaliert

BERLIN. Der Startschuss für den Bundestagswahlkampf ist gefallen und schon gehen die "Noch-Koalitionäre" SPD und Grüne aufeinander los. Die Ökopartei fürchtet vor allem, dass sie die Schuld für das Scheitern der Koalition zugeschoben bekommt.

Im Vorfeld war bei den Grünen die Parole "Eiserne Disziplin" ausgegeben worden - kein Wort zu niemandem. Ganz in Ruhe wollten sich die Spitzenkräfte gestern in Berlin zusammensetzen, um die Lage der Koalition und der eigenen Partei abseits der Aufgeregtheiten, der deftigen Sprüche und Attacken der vergangenen Tage zu debattieren. Geheim war also der Zeitpunkt, geheim auch der Ort. Nur mit einem Gerücht räumte man vor dem "Strategietreffen" schnell noch auf: dass die drei grünen Minister Joschka Fischer, Jürgen Trittin und Renate Künast verärgert die Brocken hinwerfen und das Kabinett verlassen würden. Man "lehne den Ausstieg aus der Koalition ausdrücklich ab", teilte Parteichef Reinhard Bütikofer mit. Allein schon aus "staatspolitischer Verantwortung", wie es bei den Grünen hieß. In Wahrheit wollen sich die Alternativen aber nicht die Rolle des Sündenbocks aufdrücken lassen. Das Ende der Selbstzerfleischung im Regierungslager ist noch lange nicht in Sicht. Die Stimmung wird vielmehr immer gereizter. Selbst die glättenden Worte von SPD-Chef Franz Müntefering -"die rot-grüne Koalition hat sich bewährt" - finden im verflixten siebten Daseinsjahr des Bündnisses keinen Widerhall. Stattdessen dreschen insbesondere die Sozialdemokraten jetzt auf den Juniorpartner ein wie nie. Seit fest steht, dass die SPD ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf bis zum Urnengang im Herbst zieht, wird versucht, sich ohne Rücksicht auf Kosten des anderen zu profilieren. Der Rosenkrieg zwischen Roten und Grünen ist umso heftiger geworden, seit dem die Alternativen angekündigt haben, die Steuersenkungen für Unternehmen doch nicht mitmachen zu wollen. Manch einer vermutet dahinter aber auch nur Taktik des Regierungslagers, um dem Kanzler über diesen Zoff den Weg zur einer verfassungsrechtlich einwandfreien Vertrauensfrage zu ebnen. Aber: Eben die Herbeiführung der Neuwahlen ist der eigentliche Kern des gesamten Streits im Koalitionslager. Niemand der Partner will wirklich freiwillig den Dolch ziehen und Gerhard Schröder stürzen. Die Grünen insbesondere fürchten dabei das alte "FDP-Image" des Königsmörders: Die Liberalen hatten 1982 SPD-Mann Helmut Schmidt die weitere Gefolgschaft verweigert und den Christdemokraten Helmut Kohl dadurch ins Kanzleramt gehievt. Die Nerven liegen blank. In grünen Kreisen wird spekuliert, dass mit den Attacken der Genossen vermutlich die drei Minister der Alternativen aus dem Kabinett gemobbt werden sollen, wodurch die Regierung dann gescheitert wäre. Bei den Genossen wird unverhohlen über eine große Koalition nachgedacht. Speziell die beiden SPD-Politiker Kurt Beck und Sigmar Gabriel tun sich dabei mit Angriffen gegen die Grünen hervor. Das hat seine Gründe: Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck, ohnehin kein Freund der Ökopaxe, gilt als möglicher Übergangsvorsitzender der SPD, wenn nach einer verlorenen Bundestagswahl die Dämme brechen und die Partei neu aufgestellt werden muss.

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