Die Armensteuer

Der Bundestag wird heute mit breiter Mehrheit die Erhöhung der Mehrwertsteuer beschließen. Er wird es tun gegen den Rat aller Wirtschafts-Experten, gegen das Votum von Unternehmerverbänden und Gewerkschaften, gegen den Willen der Mehrheit der Deutschen.

Das wäre nicht zu kritisieren, wenn die große Koalition diesen unpopulären Schritt täte als Bestandteil eines überzeugenden Konzepts, mit klaren Prioritäten und konkreten Zielen. Aber sie tut ihn, und das ist das Problem, weil ihr nix Besseres einfällt. SPD-Chef Beck ist zu Unrecht geprügelt worden, als er kürzlich darauf hinwies, dass der Staat, wenn er wichtige Zukunftsaufgaben in Bildung, Familienförderung und Infrastruktur übernehmen soll, dafür Geld braucht. Notfalls, da liegt Beck richtig, muss er es sich auch bei seinen Bürgern holen. Aber Voraussetzung dafür wäre zunächst einmal, dass der Staat alles getan hätte, um Geld dort frei zu setzen, wo es unproduktiv vergeudet wird. Eine ernsthafte Initiative zum Bürokratie-Abbau, zum Roden des Verwaltungsgestrüpps, zum Reduzieren teurer Standards und Vorschriften, zum Durchforsten des Subventionsdschungels hat die Koalition bislang aber nicht einmal in Ansätzen gezeigt. Warum soll man sich solchen Ärger auch einhandeln, wenn man das Geld per Beschluss aus Bürgers Tasche holen kann? Dass mit dem Erlös Arbeitsplätze geschaffen werden, wird sich als Mär herausstellen. Was die Senkung der Lohnzusatzkosten - wenn sie denn kommt - einbringt, geht durch die Konjunkturdelle wieder flöten. Und das Gros der Extra-Einnahmen wird ohnehin in Haushaltslöchern verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen. Nun ist auch das Konsolidieren öffentlicher Haushalte eine ernstzunehmende Aufgabe. Aber wenn man dafür trotz überzeugender Eigenbemühungen (an denen es fehlt) zusätzliches Geld braucht, müsste es auf möglichst gerechte Weise eingenommen werden. Die Mehrwertsteuer ist aber zutiefst ungerecht, denn sie trifft denjenigen, der wenig hat und deshalb sein ganzes Einkommen für Konsum ausgeben muss, weit härter als den, der genug Spielraum hat, um sein Geld einträglich für sich arbeiten zu lassen. Daran ändert auch der verringerte Satz wenig, der übrigens weder für Pampers noch für Sprudel gilt. Die Mehrwertsteuer ist auch eine Art Armensteuer. Komisch, dass es darüber keine Grundsatzdebatten gibt. d.lintz@volksfreund.de

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