Die Braut, der man nicht traut

Selten ist eine Hochzeit so lange vorbereitet, wieder verworfen und neu geplant worden: Europa und die Türkei – ein Werben und Locken, ein Buhlen und Feilschen um Mitgift und Ehevertrag. Mehr als vier Jahrzehnte währt die Brautschau schon.

Selten ist eine Hochzeit so lange vorbereitet, wieder verworfen und neu geplant worden: Europa und die Türkei - ein Werben und Locken, ein Buhlen und Feilschen um Mitgift und Ehevertrag. Mehr als vier Jahrzehnte währt die Brautschau schon. Das einst geschmähte Aschenbrödel vom Bosporus hat sich herausgeputzt und ist zu einer ansehnlichen Partie gereift, das Aufgebot ist endlich bestellt, der Termin auf dem Standesamt rückt näher - und wieder mäkelt und mosert der Bräutigam und will die Feier verschieben. Die Ausreden klingen fadenscheinig: Der Frack passt nicht, das Brautkleid zwackt, die Geschenke sind nicht hübsch genug verpackt - und die Torte könnte noch ein wenig süßer schmecken.Er liebt mich, er liebt mich nicht - wenige Tage vor dem lange geplanten Start der Beitritts-Verhandlungen mit der Türkei sind die Politiker der Europäischen Union heillos zerstritten. Es gibt keinen Konsens über die Geschäftsgrundlage der Gespräche, ungeachtet aller Auflagen, Ausnahme- und Ausstiegsklauseln und immer neuen Bedingungen. Das ist stillos, einfach unsäglich. Es geht um Verhandlungen, nicht mehr und nicht weniger. Ende offen. Ob die Türkei in zehn oder 15 Jahren zur EU gehört, hat sie selbst in der Hand. Sie muss stramme Vorgaben erfüllen, bedingungslos. Demokratische Grundwerte, stabile Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenschutz, Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die Türkei hat hart an sich gearbeitet und gezeigt, dass sie grundsätzlich bereit ist für ein multikulturelles, tolerantes Europa.

Sicher, es gibt offene Fragen (wie die Anerkennung Zyperns), es gibt Vorbehalte und Zweifel. Die Türkei ist eine Braut, der man nicht traut. Und dennoch: Es ist höchste Zeit, Schluss zu machen mit der ewigen Hinhalte-Taktik - und auf Augenhöhe miteinander zu reden, ohne Termindruck zu verhandeln und Schritt für Schritt die Chancen für eine Vermählung auszuloten.

Ziel ist der Beitritt zur EU, eine Zweckehe mit vertraglich klar geregelten Rechten und Pflichten (und ein bisschen Liebe), keine "privilegierte Partnerschaft". Denn: In einer wilden Ehe werden diese beiden Hochzeiter nicht wirklich glücklich.

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