Die CDU setzt sich ab

Wenn Roland Koch die von ihm selbst angezettelte Debatte nun auf die Füße fällt, dann muss man kein Mitleid haben. Es bleiben halt nicht viele Freunde, wenn Juristen, Kirchenvertreter, Polizeiexperten, Bewährungshelfer, Sozialarbeiter, kurzum: alle, die in der Praxis mit dem Thema zu tun haben, Kochs Linie für einen Irrweg halten.

Und zwar unabhängig von ihrer eigenen politischen Ausrichtung. Die Richterverbände, der Sprecher der Bischofskonferenz oder die Vertreter der Polizeigewerkschaft eignen sich nun wirklich nicht als Musterbeispiele für linksliberale Weicheier, die Jungkriminelle kuscheln wollen.Wenn sich nun auch seine eigene Partei zunehmend von Roland Koch absetzt, hat das freilich nicht viel mit der einhelligen Kritik der Fachleute zu tun. Merkel, Wulf und Co. ist etwas ganz anderes aufgefallen: Dass der erhoffte Wahlkampf-Mobilisierungseffekt ausbleibt. Die Umfragen zeigen, dass die Menschen zwar sehr wohl Handlungsbedarf in Sachen Jugendkriminalität sehen, aber nicht so einfach bereit sind, auf populistische Rezepte hereinzufallen. Die suggestive Kraft der Bilder aus der Münchener U-Bahn reicht nicht aus, um dafür zu sorgen, dass die Wähler den Verstand ausschalten. Sie wollen schon wissen, ob die vorgeschlagenen Lösungen auch zu etwas taugen. Und sie schauen genau hin, wie sich der Verbalradikalismus zur Realität im Alltagsgeschäft verhält.

Von daher waren die statistisch unwiderlegbaren Zahlen über das Schneckentempo bei der Verfolgung krimineller Jugendlicher in Hessen das Verheerendste, was Koch passieren konnte. Sie haben die Stimmung gedreht. Und die ersten, die das gemerkt haben, waren die gleichfalls wahlkämpfenden Landesfürsten Christian Wulff und Ole von Beust. Ihnen verhagelt Kochs immer hektischere Drehzahl beim Erfinden neuer Vorschläge die Atmosphäre bei der - im Norden ohnehin weniger hitzigen - Wählerschaft. Und auch Angela Merkel hat mit ihrer feinen Witterung für Stimmungslagen gemerkt, dass sie ihren hessischen Parteifreund bremsen muss.

Freilich muss man sich über eines im Klaren sein: Sollte Roland Koch am übernächsten Sonntag beim Wahlgang besser abschneiden, als viele es derzeit vermuten, dann wird der ganze Sermon uns bis zur Bundestagswahl begleiten. Inklusive der dumpfbackigen Reflexe sozialdemokratischer Wadenbeißer wie Peter Struck. Keine schönen Aussichten für ein Land, das dringend regiert werden müsste.

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