Die Fischer-Show

Die Fernsehshow des Bundesaußenministers vor dem Visa-Untersuchungsausschuss hatte die Anmutung eines Feuerwerks.

Die Fernsehshow des Bundesaußenministers vor dem Visa-Untersuchungsausschuss hatte die Anmutung eines Feuerwerks. Grelles Blitzlicht, laute Knaller und viel Rauch. Profi Fischer nutzte die Gunst der Stunde, erklärte den Abgeordneten und vor allem der Fernseh-Nation die Welt, und parierte die teils bissigen Fragen kokett – Fischer eben. Zurück blieb eine banale Erkenntnis: Der Minister wusste Bescheid über den Visa-Missbrauch, er hat falsch und zu spät reagiert, und er räumte freimütig eine Mitschuld ein. Und sonst? Sonst sind wir alle so schlau wie zuvor. Jede Seite sieht sich in ihrem (Vor-)Urteil bestätigt. Das nervt und hilft niemandem weiter. Überhaupt ist das Visa-Thema schon platt gewalzt wie Nudelteig und nur noch von mäßigem Interesse. Selbst die Eiferer von der Opposition schüren die karge Glut der Empörung nicht mehr aus Überzeugung, sondern wegen der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Nur darum geht es. Gewiss wirkte Fischer nicht ganz so souverän wie in guten Tagen, da er sich noch als kleiner Papst der Politik sah, unfehlbar und einzigartig. Doch er präsentierte sich routiniert genug, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Die Opposition konnte ihn nicht wirklich greifen, zumal er ein Argument hatte, das die Ankläger nicht kontern konnten: Auch zu Union/FDP-Regierungszeiten galt die Devise "Im Zweifel für die Reisefreiheit". Ungezählte Polen etwa profitierten damals von der Visa-Erteilung im Schnellverfahren. Trotz des mauen Ergebnisses des Fernsehgerichts hat die Union Grund zur Zufriedenheit. Das eigentliche Ziel ihrer Offensive, die Beschädigung des Außenministers, ist ja schon im Vorfeld gelungen: Fischers Popularitätswerte sind wie Senkblei nach unten gesaust. Dennoch steht er nach wie vor in der Gunst der Bürger recht passabel, auf einer Stufe mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel und Bundeskanzler Gerhard Schröder. Ein Indiz dafür, dass seine Fehler und Versäumnisse von einem Großteil der Bevölkerung als lässliche Sünden erachtet werden? Oder ein Hinweis darauf, dass die politische Konkurrenz auch nicht viel besser eingeschätzt wird? Fest steht: Die Hoffnung der Opposition, Fischer vor den Augen der Fernseh-Nation als Sicherheitsrisiko vorführen zu können, ist misslungen. Der Minister gab sich reumütig, beanspruchte deshalb "Strafmilderung" und attackierte zu Recht die "Skandalisierung (des Themas) aus machtpolitischen Gründen". Tatsache ist aber auch: Fischer, tragende Säule des rot-grünen Bündnisses, ist angezählt. Vorbei zudem der Höhenflug der Ökopartei, der es kaum mehr gelingen kann, die abgeschmierte Hartz-SPD zu stützen. Was dies in der Konsequenz für die Koalition bedeutet, wird man am 22. Mai nach der Wahl in NRW besichtigen können. Jenseits der Visa-Problematik spricht einiges dafür, dass dann der letzte Akt des rot-grünen Dramas eingeleitet wird. nachrichten.red@volksfreund.de

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