Die Rebellen von einst

Die Grünen, genauer: Bündnis 90/Die Grünen, verfügen über eine Symbolfigur, an der sich die abenteuerliche Geschichte der gesamten Partei ablesen lässt: Joschka Fischer, einst Taxifahrer und Steinewerfer in Frankfurt, heute Bundesminister des Auswärtigen.

Ein Mann von stattlich-staatlicher Statur, weltweit geachtet und national beliebt wie kein zweiter Politiker. In Fischer kristallisiert sich die gesamte Widersprüchlichkeit, aber auch der beeindruckende Erfolg der Grünen, die vor 25 Jahren angetreten waren, die Welt zu verbessern und die etablierten Parteien das Fürchten zu lehren. Beides ist ihnen, ein bisschen, gelungen. Es ist tatsächlich bereits ein Vierteljahrhundert her, dass ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus honorigen Bildungsbürgern, friedensbewegten Aktivisten, verbissenen Alt-Kommunisten, engagierten Atomgegnern, kämpferischen Feministinnen und gescheiterten Existenzen die „Antiparteien-Partei” gründete. Das scheinbar Unmögliche konnte gelingen, weil die Zeit einfach reif war, um die Verkrustungen der Nachkriegszeit auch politisch-parlamentarisch aufzubrechen. Die vernachlässigte Natur schrie nach Beachtung, die Frauen verlangten Gleichberechtigung, die Friedensbewegung Aufmerksamkeit. Genau diese Bedürfnisse erfüllten die Alternativen mit ihrem ungestümen Drang und Enthusiasmus. Sie stießen in eine Marktlücke, in der sie sich eingenistet haben. Der Anpassungsprozess an das früher verhasste „System” geriet indes so rasant, dass einige Grüne über das Ziel hinaus schossen und heute eher an grün angestrichene Liberale erinnern. Wie dem auch sei: Die Grünen haben sich zur staatstragenden Kraft entwickelt, die sich nur noch in Nuancen von anderen Parteien unterscheidet. Doch Stolz auf Erfolg kann auch zur Unachtsamkeit verleiten. Schon meinen erste Parteienforscher, die Grünen hätten ihren Zenit überschritten. Wann die Sonnenblume verdorrt, weiß niemand. Die Stunde der Wahrheit wird kommen, wenn Patriarch Fischer in Rente geht und die nächste Generation der Grünen versuchen muss, der Partei mit neuen Ideen die Zukunft zu sichern. jks/alfnachrichten.red@volksfreund.de

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