Die SPD-Giganten rasen aufeinander zu

Die Züge rasen aufeinander zu, doch die Lokführer behaupten, es gebe noch eine Weiche. So stellte sich der Giganten-Konflikt in der SPD zwischen Parteichef Kurt Beck und Vizekanzler Franz Müntefering an diesem Wochenende dar.

Berlin. Beide Seiten waren gestern bemüht, den Streit kleinzureden. Der eine, Beck, müsse das sozialdemokratische Profil entwickeln, hieß es. Der andere, Müntefering, sei für das Regierungshandeln in der Großen Koalition zuständig. Die schöne Gedankenkonstruktion hat zwei Schwächen. Erstens wird die SPD, wenn sie Becks Kurs auf ihrem Parteitag beschlossen hat, auch Regierungstaten sehen wollen - von Müntefering. Und zweitens hält der Vizekanzler die Grenzen nicht ein, indem er die Autorität des Parteivorsitzenden massiv in Frage stellt.Im "Spiegel" bezeichnete er Becks Vorschlag zur Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I als Schritt zurück, nannte ihn falsch, ja sogar "Unsinn". Dieses Wort bezog er zwar auf CDU-Vize Jürgen Rüttgers, der ähnliche Ideen geäußert hatte. Aber die Botschaft war eindeutig. Beißend fügte der Arbeitsminister hinzu: "Irgendwann werden wir uns alle zusammen mit der PDS treffen, gemeinsam alte Lieder singen und sagen: So, jetzt ist alles in Ordnung." Die offene Feldschlacht ist entbrannt. In der ARD bezeichnete Müntefering Becks Idee als "Schwenk" und indirekt sogar als populistisch. Trotzdem will der Arbeitsminister den Konflikt beherrschbar halten. Es gehe nicht um einen Showdown, schon gar nicht um die Vorbereitung eines Rücktritts, heißt es. Der Minister sage nur klar seine Meinung. Ansonsten gelte: Partei ist Partei und Regierung ist Regierung.

Von der Partei-Basis hagelt es Zustimmung

Kurt Beck wiederum ist entschlossen, seinen Vorschlag Ende Oktober vom Parteitag absegnen zu lassen. Er läuft derzeit so selbstbewusst wie nie seit seinem Amtsantritt als SPD-Chef durch die Hauptstadt, denn er hat endlich sein Thema gefunden: Die kleinen Leute am Aufschwung teilhaben lassen. Die Angst, nach kurzer Zeit in Hartz IV abzurutschen, sitze tief; seine Idee treffe daher die Mitte der Gesellschaft. Eine Umfrage-Zustimmung von 80 Prozent gibt ihm Recht. Aus den Parteibezirken hagelt es positive Stellungnahmen. Und mögliche Kritiker, wie Außenminister Steinmeier und Finanzminister Steinbrück, sind abgetaucht.

Doch bei diesem einen Konflikt bleibt es nicht. Obwohl Beck beteuert, die Agenda-Reformen ansonsten beieinander halten zu wollen, ist jetzt die soziale Wundertüte geöffnet, die für Müntefering eine Büchse der Pandora ist. Eine SPD-Arbeitsgruppe hat gerade Vorschläge zur Abmilderung von Härten bei der Rente mit 67 vorgelegt. Das ist ganz nach dem Geschmack Kurt Becks, der schon im vergangenen Jahr als erster gegen Münteferings Rigorismus bei der Rente mit 67 Stellung genommen hatte, als er sagte, es sei undenkbar, dass etwa ein Dachdecker in dem Alter noch auf Häusern herumkraxele.

Bei der Einführung einer Teilrente geht Müntefering noch mit, die Öffnung der Erwerbsminderungsrente aber wird von ihm mit großer Distanz betrachtet. Das sei eine Parteidiskussion, man müsse sehen, ob das jemals Regierungshandeln werde, heißt es. Fast schon so, als habe der Vizekanzler mit den Vorgängen in der SPD nichts (mehr) zu tun.

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