Die Skepsis bleibt

BERLIN. Die langwierige Diskussion um die Verschärfung des Versammlungsrechts hat ein vorläufiges Ende gefunden. Nach dem Beschluss des Bundestages gestern hofft die Berliner Politik nun, mit der Gesetzesnovelle rechtsextreme Aufmärsche vor Gedenkstätten wie dem Holocaust-Mahnmal verhindern zu können. Die Zweifel sind groß, ob die Neuregelungen tatsächlich das halten, was sie versprechen.

So hält FDP-Chef Guido Westerwelle Klagen von Neonazis gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht für aussichtsreich. Die Novelle sei "dilettantisch" gemacht, befand der Oberliberale. Bekämen die Rechten in einem solchen Fall in Karlsruhe Recht, würde nicht nur die Debatte um das Versammlungsrecht erneut aufflammen, die Folgen wären vielmehr fatal: Das sei dann "eine Werbeveranstaltung für Rechtsextreme" wie einst das gescheiterte NPD-Verbot, befand der FDP-Chef. Und ein erneutes Debakel für die im Bundestag vertretenen Parteien. Die FDP stimmte im Parlament daher als einzige Fraktion gegen die Gesetzesänderung. Die gestern beschlossene Novelle erleichtert den Behörden, rechtsextremistische Aufmärsche an Gedenkstätten für die Opfer der Nazi-Herrschaft zu verbieten. Ausdrücklich ist als ein solcher schützenswerter Ort in dem Gesetz das Berliner Holocaust-Mahnmal in der Nähe des Brandenburger Tors bestimmt. Die übrigen Orte sollen nun von den Ländern festgelegt werden, wo die Vorbereitungen schon auf Hochtouren laufen. So sind beispielsweise bereits KZ-Gedenkstätten wie Buchenwald, Dachau oder Bergen-Belsen im Gespräch. In Rheinland-Pfalz geht es um die KZ-Gedenkstätten Hinzert und Osthofen. Konkret schreibt das Gesetz vor, dass eine Gedenkstätte nur dann in die Liste der schützenswerten Orte aufgenommen werden darf, wenn sie in "historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigenden Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert". Von dem, was ursprünglich mal gewollt war, nämlich den Marsch von Rechten durch das Brandenburger Tor zu verhindern, ist man allerdings auch nach dem Beschluss des Parlamentes noch weit entfernt. Zumal die Bannmeile nicht auf das Brandenburger Tor ausgedehnt wird, obwohl Union und Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) dies gefordert hatten. Mit Blick auf den dort geplanten NPD-Aufmarsch zum 8. Mai rief der Minister deshalb die "demokratische Öffentlichkeit" auf, "hier vollzählig versammelt" zu sein, damit "kein Neonazi auch nur eine Spurbreit Raum hat". Einhergehend mit der Änderung des Versammlungsrechtes wird auch das Strafrecht verschärft: Wer die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft öffentlich billigt, verherrlicht oder rechtfertigt, muss künftig mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe rechnen. Schily glaubt jedoch nicht, dass damit der alljährliche Aufmarsch am Grab des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess in Wunsiedel verboten werden kann - denn diese Tatbestände werden von der Neonazis stets geschickt umgangen. Ein Verbot der Kundgebung wäre einfacher möglich, so Schily gestern in Übereinstimmung mit dem bayerischen Innenminister Günter Beckstein (CSU), wenn in dem Gesetz auch die Verharmlosung der NS-Diktatur unter Strafe gestellt würde.

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